Reise nach Ixtlan.
setzte mich halb auf und wollte mich entschuldigen, aber er lachte und schlug eine Reihe alberner rhetorischer Ausrufe vor, die ich stattdessen hätte gebrauchen können, wobei er meine Sprechweise imitierte. Schließlich mußte ich über die wohlkalkulierte Absurdität der von ihm vorgeschlagenen Alternativen lachen. Er kicherte und ermahnte mich mit sanfter Stimme, ich solle mich ganz dem Gefühl des Schwebens hingeben. Das besänftigende Gefühl der Ruhe und der Fülle, das ich an diesem geheimnisvollen Ort erlebte, weckte in mir gewisse tief verschüttete Gefühle. Ich fing an, über mein Leben zu sprechen. Ich gestand, daß ich nie jemanden respektiert oder geliebt hätte, nicht einmal mich selbst, und daß ich immer das Gefühl hatte, von Grund auf schlecht zu sein, und daher meine Einstellung zu anderen immer durch eine gewisse gespielte Forschheit und Kühnheit verschleierte.
»Richtig«, sagte Don Juan. »Du magst dich überhaupt nicht.« Er lachte und sagte, er habe, während ich sprach, »gesehen«. Er empfahl mir, nichts zu bereuen, was ich getan hätte, denn die eigenen Handlungen als böse, häßlich oder schlecht herauszustellen, bedeute, dem eigenen Ich eine ungebührliche Bedeutung beimessen.
Ich bewegte mich nervös hin und her, und das Blätterbett raschelte. Wenn ich mich ausruhen wolle, sagte Don Juan, dann solle ich meine Blätter nicht beunruhigen, sondern es ihm gleichtun und völlig reglos liegenbleiben. Durch das »Sehen«, fügte er hinzu, habe er eine meiner Stimmungen erkannt. Einen Augenblick rang er offenbar um die richtigen Worte, dann sagte er, jene Stimmung sei ein gewisser Bewußtseinsrahmen, in den ich mich ständig hineinfallen ließe. Er beschrieb ihn als eine Art Falltür, die ich unerwartet öffne und mich verschlinge.
Ich forderte ihn auf, sich deutlicher zu äußern. Er wiederholte, es sei unmöglich, sich über das »Sehen« deutlich zu äußern. Noch bevor ich etwas anderes sagen konnte, befahl er mir, mich zu entspannen, dabei jedoch nicht einzuschlafen, sondern so lange wie möglich in einem Zustand der Wachsamkeit zu bleiben. Er sagte, das »Strahlenbett« diene ausschließlich dazu, einem Krieger die Möglichkeit zu geben, einen bestimmten Zustand der Ruhe und des Wohlseins zu erreichen. Mit Nachdruck betonte Don Juan, daß dieses Wohlsein ein Zustand sei, den man pflegen müsse, ein Zustand, an den man herangeführt werden müsse, um ihn anstreben zu können. »Du weißt nicht, wie das Wohlsein ist, denn du hast es nie erfahren«, sagte er.
Ich widersprach ihm. Doch er blieb dabei, daß Wohlsein eine Errungenschaft sei, die man bewußt anstreben müsse. Das einzige, was ich anzustreben wisse, sagte er, sei Desorientierung, Unwohlsein und Verwirrung.
Er lachte und versicherte mir, um das Kunststück zu vollbringen, mich selbst in einen miserablen Zustand zu versetzen, müsse ich äußerst hart arbeiten, und es sei doch absurd, daß ich mir nie bewußt gemacht hatte, daß ich mich mit dem gleichen Aufwand ebensogut bemühen könne, mich zu vervollkommnen und stark zu werden. »Es hängt davon ab, was wir anstreben«, sagte er. »Entweder wir machen uns elend, oder wir machen uns stark. Der Arbeitsaufwand ist stets derselbe.« Ich schloß die Augen und entspannte mich wieder, und allmählich stellte sich das Gefühl, zu schweben ein. Eine Zeitlang war mir, als bewegte ich mich wirklich durch den Raum, etwa wie ein treibendes Blatt. Obgleich dieses Gefühl sehr angenehm war, erinnerte es mich an Gelegenheiten, bei denen mir übel und schwindlig gewesen war und ich das Gefühl hatte, daß sich alles um mich drehte. Ich überlegte, ob ich vielleicht etwas Schlechtes gegessen hatte.
Ich hörte, wie Don Juan zu mir sprach, aber ich bemühte mich nicht, ihm zuzuhören. Ich versuchte, im Geist eine Liste all dessen aufzustellen, was ich an diesem Tag gegessen hatte, aber ich konnte kein wirkliches Interesse dafür aufbringen. Es schien mir so gleichgültig.
»Paß auf, wie das Sonnenlicht sich verändert«, sagte er. Seine Stimme war klar. Mir kam der Gedanke, daß sie wie Wasser war, flüssig und warm. Nach Westen hin war der Himmel völlig wolkenlos, und das Sonnenlicht beeindruckte mich tief. Vielleicht weil Don Juan mich darauf aufmerksam gemacht hatte, erschien mir die gelbliche Glut der Nachmittagssonne wahrhaft großartig. »Laß dich von dieser Glut anstecken«, sagte Don Juan. »Bevor die Sonne heute untergeht, mußt du vollkommen ruhig und wiederhergestellt
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