Reise til helvete
Grabesstille setzte ein. Aus dem Zelt drang kein Laut. Dylan nahm Platz und starrte in die Flammen. Plötzlich spürte er Tonys Hand auf seiner Schulter.
„Das wird schon wieder …“
Doch Dylans Mundwinkel begannen zu zucken.
„Ich glaube nicht mehr dran.“
Er wischte sich über die Augen und blinzelte Tränen weg.
„Was ist das bloß für eine verdammte Scheiße!“ Er schüttelte mutlos den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein! Was ist das für ein schlechter Film, der hier läuft?“
Tony schwieg daraufhin. Was sollte er auch antworten? Es war tatsächlich unglaublich, in welche Situation sie geraten waren. Welche Verkettung von unglücklichen Umständen hatte sie bloß zu dieser absoluten Ratlosigkeit getrieben?
Thor kam aus dem Zelt und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Langsam marschierte er durch den Sand, dabei wanderten seine Hände tiefer, landeten im Nacken, wo sie einen Moment verweilten, bis er sie kraftlos baumeln ließ.
Dass er sich nicht äußerte, sondern regungslos stehen blieb und seine Freunde nicht einmal ansah, war beängstigend.
Dylan beschlich abermals dieses ungute Gefühl. „Thor? Was ist?“
Er starrte seinen Partner fragend an, bis der sich umdrehte und zu ihnen kam. Sein Gesicht wirkte noch herber als sonst.
„Wir dürfen Erik nicht mehr alleine lassen, keine Sekunde …“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, schob Tony seinen Teller zur Seite und stand auf. Schnellen Schrittes eilte er zum Zelt und verschwand darin.
„Oh, Mann …“ Dylan ließ den Kopf hängen. Sein Gesicht bettete er in die sandigen Handinnenflächen. Er hätte losheulen und dazu brüllen können. Deutlich spürte er, wie sein Körper nach einer Rebellion lechzte. Er wollte ausflippen, schreien, um sich treten … so, wie er es in der Vergangenheit oft getan hatte. Doch was hätte das genützt? Vielleicht hätte es sein Gemüt erleichtert. Doch die Lage geändert, hätte er damit nicht.
Er wusste nicht wohin mit seiner überflüssigen Wut. Es gab kein Ventil, das er nutzen konnte. Umso rastloser strich er sich über die trockene Haut seiner Arme und letztendlich verweilten seine Finger an der Binde, die seine Wunden verbarg. Er hatte Schmerzen und empfand sie als angenehm. Sie erinnerten ihn daran, dass er noch lebte und dass sich irgendetwas auf dieser Insel veränderte.
„Perk, lass mich deinen Verband neu machen.“
Thor hatte sich neben ihn gesetzt und hantierte an dem Erste-Hilfe-Koffer.
„Okay.“ Dylan fuhr sich über das gestresste Gesicht. Er war froh, dass Thor sich um ihn sorgte und ihn von seinem desolaten Zustand ablenkte, obwohl es ihm gar nicht behagte, als Thor den verdreckten Verband löste und die brüchige Naht zum Vorschein kam.
Die Wunden waren rot und pochten quälend. An einigen Stellen war die Haut nicht zusammengewachsen und klaffte sichtbar auseinander.
„Ist es noch immer schmerzhaft?“
Dylan nickte. Die Beschwerden abzustreiten, wäre unsinnig gewesen. Deutlich war erkennbar, dass die Wundheilung gestört war.
„Aah!“ Er schrie auf, als Thor den Arm vorsichtig abtastete. Zwischen den Fäden, die die defekten Hautpartien zusammenhielten, entleerte sich Wundflüssigkeit.
„Die Schnitte sind entzündet.“
„Aber wie kann das sein?“, erwiderte Dylan. „Sie sind genäht. Es war okay.“
„Zu viel Salzwasser, zu viel Bewegung und Dreck.“ Thor inspizierte den Arm gründlich. „Wenn du Pech hast, müssen sie die Wunden noch einmal eröffnen.“
„Nein!“ Dylan zog seinen Arm zurück. „Ich lasse da niemanden mehr ran!“
Im Schein des Feuers sahen die Nähte tatsächlich lädiert aus. In Dylan wuchs die Befürchtung, dass er das Tattoo doch verlieren würde. Was wäre das für ein Omen gewesen?
„Lass es mich neu verbinden, ja?“
Er zögerte, aber dann hielt er Thor den Arm entgegen. Der tupfte die Wunden mit heißem Wasser ab und umwickelte sie anschließend mit einer sauberen Binde.
„Ich hätte das Antibiotikum weiternehmen sollen.“ Dylan seufzte leise.
„Ja, das hättest du wohl besser.“
Thor schnitt ein Pflaster zurecht und fixierte den Verband unter leichtem Zug.
„Du hast gesagt, meine Medikamente sind nicht wichtig …“
Da sah Thor schlagartig auf. „Soll das heißen, du hast die Pillen mit?“
„Natürlich!“
„Wo? Auf der Jacht?“
„Ja, klar!“ Dylan wurde wütend. „Ich habe es mehr als einmal erwähnt, aber es war euch ja scheißegal , was mit meinen Tabletten ist!“
Thor antwortete
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