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Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Titel: Reise Um Die Erde in 80 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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entferntes Concert von Menschenstimmen und kupfernen Instrumenten.
    Passepartout war ganz Auge, ganz Ohr. Herr Fogg wartete in Geduld, ohne ein Wort zu sprechen.
    Der Parse sprang auf den Boden, band den Elephanten an einen Baum und drang mehr in's Dickicht des Gehölzes. Nach einigen Minuten kam er zurück und sprach:
    »Eine Brahmanen-Procession, welche dieses Weges zieht. Wo möglich wollen wir vermeiden, daß man uns bemerke.«
    Der Führer band den Elephanten los, führte ihn in ein dichtes Gebüsch, und empfahl den Reisenden, nicht abzusteigen. Er selbst hielt sich bereit rasch aufzusitzen, wenn es nothwendig werden sollte zu entfliehen. Doch dachte er, der Schwarm der Gläubigen werde, ohne ihn zu bemerken, vorüberziehen, denn das dichte Laubwerk verhüllte ihn ganz.
    Das widrige Getön von Stimmen und Instrumenten kam näher, eintönige Gesänge, vermischt mit Trommelschlag und Cimbelnklang. Bald zeigte sich die Spitze der Procession unter den Bäumen, fünfzig Schritte von der Stelle, wo Herr Fogg mit seinen Gefährten sich befand. Sie konnten leicht durch das Gezweig hindurch das merkwürdige Personal dieser religiösen Ceremonie unterscheiden.
    Eine Fürstenwitwe. (S. 74.)
     
    In vorderster Reihe schritten Priester mit spitzen Mützen und langen, verbrämten Gewändern. Sie waren von einer Truppe Männer, Frauen und Kinder umgeben, die eine Art Leichenpsalmen anstimmten, unterbrochen von Tam-Tamschlägen und Cimbelnklängen.
    Vor der Pagode. (S. 78.)
     
    Hinter ihnen, auf einem Wagen mit breiten Rädern, deren Speichen und Felgen ein Schlangengewinde darstellten, sah man eine häßliche Statue, die von zwei Paar mit reichen Schabracken gezierten Bisons gefahren wurde. Dieses Standbild hatte vier Arme, dunkelroth gefärbten Körper, große Augen, zerzauste Haare, heraushängende Zunge, [72] [73] und mit Betel und Henne gefärbte Lippen. Ein Halsband von Todtenköpfen und ein Gürtel von abgehauenen Händen war sein Schmuck. Es stand auf einem niedergeworfenen Riesen ohne Kopf.
    Sir Francis Cromarty erkannte diese Statue.
    »Die Göttin Kali, sagte er halblaut, die Göttin der Liebe und des Todes.
    – Des Todes, das geb' ich zu, aber der Liebe, niemals! sagte Passepartout. Das häßliche Weibsbild!«
    [74] Der Parse bedeutete sie, sich still zu halten.
    Um die Statue herum wimmelte, zappelte in Verzuckungen ein Trupp alter Fakirs, streifig mit ockerfarbenen Bändern, mit kreuzförmigen Einschnitten bedeckt, aus welchen Blut träufelte, stupide Besessene, die bei den großen Ceremonien der Hindu sich sogar unter die Räder des Wagens von Jaggernaut werfen.
    Hinter ihnen sah man einige Brahmanen in vollem Schmuck ihrer reichen orientalischen Prachtkleidung eine Frau schleppen, die sich kaum aufrecht zu halten vermochte.
    Es war eine junge Frau, weiß wie eine Europäerin. Kopf, Hals, Schultern, Ohren, Arme, Hände, Zehen waren mit Geschmeide übermäßig behängt, mit Hals-und Armbändern, Ohr- und Fingerringen. Eine golddurchwirkte, mit leichtem Mousselin umhüllte Tunica zeigte die Formen ihrer Taille.
    Hinter dieser jungen Frau, in grellem Contrast, trugen Leibgarden mit entblößten Säbeln und damascirten Pistolen am Gürtel auf einem Palankin einen Leichnam.
    Es war der Körper eines Greises in reichem Rajagewande, wie bei Lebzeiten mit perlengesticktem Turban, in Gold und Seite gewirktem Kleide, einem Gürtel von Cachemir mit Diamantenschmuck und dem prachtvollen Wappen eines indischen Fürsten.
    Den Zug schloß eine Musikbande und ein Trupp Fanatiker, die mit betäubendem Geschrei mitunter den Lärm der Instrumente überboten.
    Sir Francis Cromarty sah diesem Aufzug mit besonders trauriger Miene zu, und sprach zu dem Führer:
    »Ein
sutty

    Der Parse bejahte mit einem Zeichen, und hielt einen Finger auf seine Lippen. Die lange Procession zog sich langsam unter die Bäume, und bald verschwanden ihre hintersten Reihen im Waldesgrunde.
    Nach und nach wurden die Gesänge nicht mehr vernehmlich. Man hörte nur noch das laute Aufschreien aus der Ferne, und endlich folgte tiefe Stille auf den Lärm.
    Phileas Fogg hatte das Wort, welches Sir Francis Cromarty gesprochen, vernommen, und fragte, sobald die Procession vorüber war: »Was ist ein
sutty?
    [75] – Ein
sutty
, Herr Fogg, erwiderte der Brigadegeneral, ist ein Menschenopfer, aber ein freiwilliges. Diese Frau, welche Sie soeben gesehen haben, wird morgen in aller Frühe verbrannt werden.
    – Ei! die Lumpenkerle! rief Passepartout, der seine

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