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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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schob, ihm dann Wasser aus einem Krug in den Mund einfließen ließ, während ihre Linke seinen Nacken stützte.
    Die Wirkung ließ auf sich warten. Der Körper versagte ihm seinen Dienst wie nie zuvor. Gefürchtet seit langem. War dies der Anfang vom Ende? Als er wieder erwachte, saß Christie neben ihm auf dem Bett, wohlauf, küsste ihn mit freundlichen, aufmunternden Worten auf den Mund, so wie nur Glorie es getan hatte. Dann half sie ihm auf die Beine, hüllte ihn in einen weiten Morgenmantel und führte ihn hinüber ins Bad und dann ins Wohnzimmer, wo er sich immer noch zerschlagen und zitternd niedersetzte. Ja, so räumten sie lachend ein, den Morgenmantel, der ihm so hervorragend stand, hatten sie eigens für seinen Besuch hier angeschafft.
    Der Tag verlief verhalten, er ließ die Mutter, vor allem Christie reden, hörte aufmerksam zu, gab das liebenswürdige Lächeln zurück, das auf ihn zukam. Offenbar, so dachte er, waren die Gespenster doch im Walde geblieben. Fort, ein für alle Mal, so ging es ihm durch den Kopf.
    Er trippelte an Lenas Seite durch den Garten, bevor es dämmerte, umkreiste das Haus. Immer wieder blieb er stehen, nach wenigen Schritten nur, musste mit den Händen Halt an dem niedrigen Dach suchen, auf das er leicht hinauflangen konnte. Nach einem kleinen Abendessen, von dem er nur einige Bissen zu sich genommen hatte, fragte der alte Mann Christie und Lena:
    »Wo bin ich? Ich weiß nicht, wo ich bin.«
    »Du bist bei uns, bei Mutter und mir«, antwortete Christie.
    »Ja, aber wo sind wir? Ich glaube, ich muss zu Ann.«
    Es entstand eine Pause. Endlich Christie:
    »Willst Du nach Hause?«
    Er dachte länger nach, in seine Gedanken verloren: »Nach Hause?«
    Christie beugte sich über ihn, streichelte seine Schläfe: »Zu Dir! Zu Dir nach Hause. Möchtest Du zurück?«
    »Zu mir? Ja, zu mir . . .«
    Dann schlief er ein. Es schien so, als ob er in einer Nacht den Schlaf von Monaten nachzuholen hätte. Als er aufwachte, vermochte er sich nicht zu erinnern, wie er in sein Bett gelangt war. Der Regen hatte eingesetzt. Sie blieben im Haus. Als Christie nach ihren Aufzeichnungen griff, legte Albert die Hand auf ihren Arm:
    »Christie, ich folge gerne Deinen Worten, aber immer wieder stehe ich vor derselben Mauer. Ich wusste ja, dass sie krank war. Aber dann wieder wollte ich es nicht wahrhaben. Vielleicht habe ich sie nur zu sehr geliebt. Wollte sie mir erhalten, so wie ich sie als Kind in Erinnerung hatte. Doch sie war schließlich eine erwachsene Frau, eine kranke Frau, der ich nicht helfen konnte.«
    Christie sah ihn an, lächelte verhalten und knisterte erwartungsvoll mit ihren Papieren.
    »Das Abitur war eine Tortur, es gelang ihr nur mit Ach und Krach.
    Wie gesagt, wir waren ihr alle sehr zugetan, die Lehrer eingeschlossen. Doch sie hatte das Jahr davor die Hälfte der Zeit gefehlt. Wir warfen uns ins Studium. Sie belegte Kunstgeschichte, ich begann mit Soziologie, ich wollte mehr über den Menschen erfahren, seine Abhängigkeit vom Erbgut, genauso wie von der Umwelt, seiner Erziehung, den Einflüssen der Kindheit. Ja, aus Rücksicht auf Glorie blieben wir in unserer Stadt, schrieben wir uns dort an der Universität ein. Aber zuerst sollte ich einen Teil des Sommers in England verbringen. Denn als Klassenbeste hatte ich einen Preis gewonnen, einige Wochen Aufenthalt mit anderen jungen Abiturienten aus den unterschiedlichsten Ländern in der Nähe des Meeres in einer kleinen Universitätsstadt. Man sagte uns, wir seien die Elite, was uns natürlich alle sehr stolz machte. Es war die erste Trennung von Glorie. Und ich verliebte mich prompt bis über beide Ohren. Alles Vergangene war weit weg, selbst Glorie, was zwar ein ungeheuer schlechtes Gewissen in mir entfachte, doch mich neu aufleben ließ. Es gab als Pflichtprogramm nur einige wenige Einführungsvorträge in internationaler Verständigung zu absolvieren: die Europäische Union, die UNO, die UNESCO, die Hilfe für die Dritte Welt. Sinn des Ganzen war wohl, uns auf ein Studium für die internationale Zusammenarbeit vorzubereiten.
    Der Junge war schon zwanzig Jahre alt, ein Ire mit roten, gewellten Haaren, wie ich sie noch nie gesehen geschweige denn angefasst hatte, Sommersprossen um die Nase und das zauberhafteste Lächeln der Welt. Sein Lächeln haute mich um. Er war nicht zu schüchtern, aber auch kein wilder Draufgänger, einfach zum Verlieben. Sein Vater besaß ein Schloss in Irland, schon seit Hunderten von Jahren im Besitz der

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