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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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Stimme, welche die beiden in Überraschung und Erstaunen versetzte:
    »Was macht Ihr?! Seid Ihr von Sinnen? Keiner von Euch darf um Verzeihung bitten, keiner! Es lag nicht in Eurer Hand.«
    Albert legte die Hände an die Schläfen, flüsterte:
    »Es war mein Kind . . .«
    »Ich habe die Geister gerufen«, stammelte Christie,
    »Lena, aber Du wolltest es so.«
    »Es ist schon Jahre her, aber es gibt keine Zeit. Was da ist, ist da und was nicht da ist, ist nicht da.« Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht, als ob er den Schlüssel zu seinem Frieden gefunden hätte.
    »Sie ist bei uns, sie ist da. Und das ist das Glück.«
    Es wurde frisch im Zimmer, Lena schloss die Fenster. Sie goss Tee nach. Ihr Gesicht hatte zu seiner Sanftmut zurückgefunden, sie ging zu ihrer Tochter, der sie über den Kopf strich:
    »Du sagst es, wie es war. Gib auch Dir den Frieden. Bald bist Du am Ende Deiner Geschichte, Christie.«
    »Ja, morgen muss sie zu Ende sein. Dann bin ich ohne Euch.«
    Sie saßen schon in aller Früh zusammen, um den letzten Tag zu nutzen. Albert, unrasiert wie er war, sah recht verwegen aus. Halb Seeräuber, halb Weiser, befand Lena. Aber er gefiel ihr so.
    Mehrmals versuchte Christie Albert deutlich zu machen, dass die Zeit dränge. Morgen müsse sie abreisen, der Flug war seit langem gebucht und unten werde sie sehnlichst erwartet. Und außerdem: Musste er nicht auch wieder zurück in die Stadt? Ann konnte täglich, ja, stündlich wieder im Haus sein.
    Aber der alte Mann schien nicht zu verstehen. Seine Gedanken waren woanders, sein Körper, seine Glieder wollten ihm wieder nicht so recht gehorchen. Lena sprach beharrlich auf ihn ein, bis er sie anlächelte, mit dem Kopf nickte, als wenn er mit allem einverstanden sei.
    »Sie blieb lange in der Klinik, viel länger als wir gedacht hatten«, begann Christie wieder, »aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Wir durften sie nur gelegentlich besuchen, verließen nur allzu gerne das trostlose Besuchszimmer und gingen mit ihr, wenn das Wetter es erlaubte, in den kargen Garten mit den hohen Mauern drum herum. Der Anblick der anderen Patienten, solche, die verstört mit aufgerissenen Augen von Pflegern unsanft durch die langen Flure bugsiert wurden, ermunterte keineswegs. Im Gegenteil.
    Glorie war blass, das Licht, das sie früher ausstrahlte, schien zu verlöschen. Es war so, als wenn man durch sie hindurch sehen könnte.
    Als sie endlich entlassen wurde, nicht als geheilt, nur als vorläufig geheilt, als bedingt geheilt, machte sie den Eindruck, dass ihre Lebenskräfte sie verlassen hätten. Die behandelnden Ärzte blieben distanziert, am Rande der Gleichgültigkeit, so als wenn sie ganz betont mit den Problemen ihrer Patienten nichts zu tun haben wollten. Mit befremdlicher Kühle wurden die letzten Worte gewechselt, mit zurückgelehntem Kopf. Gut, wir konnten sie mitnehmen, wenn wir unbedingt wollten, aber auf unser Risiko. Der junge Arzt, mit dem ich in den ersten Tagen zusammengeraten war, schien in seinem Beruf völlig aufzugehen, der Ehrgeiz, alles zu erreichen, eine steile Karriere hinzulegen, war deutlich spürbar. Seine Patienten waren mehr oder weniger willkommene Opfer. Er wollte Glorie, das war unschwer zu erkennen, nicht aus seinen Fängen lassen, bis zuletzt wehrte er sich gegen ihre Entlassung, die nur durch ein Machtwort des Chefarztes frei kam, zu unserer großen Erleichterung. Wie sehr ich diesen Mann hasste: Nachts lag ich schlaflos in meinem Bett und erkannte mit Schaudern, dass in mir ein Mörder wohnte. Ich sah wie meine Hände den schmalen Hals des jungen Arztes umklammerten, um ihm die Luft für ein und allemal zu nehmen.
    Als wir, Ann, Albert, Glorie und ich, in ihrem Zuhause, in dem sie aufgewachsen war, ankamen, lief Glorie nach oben in ihr Zimmer. Sie setzte sich noch im Mantel auf ihr altes Kinderbett und sah sich grübelnd um:
    >Ich mag hier nicht bleiben. Ich bin kein Kind mehr. Kannst Du nicht eine eigene Wohnung für uns besorgen? Bald?< Sie lächelte schüchtern, so als habe sie ein schlechtes Gewissen.
    Schlechtes Gewissen: Warum? Ja, warum? Ich dachte lange darüber nach, zermarterte mein Gehirn. Ich kam zu einem Ergebnis, das mich traurig, sehr traurig stimmte: Weil sie sich schämte. Sie schämte sich, krank zu sein. Und sie wurde zornig, wenn sie uns Sorge oder Mühe bereitete. Aber sie sagte immer wieder: Ich schäme mich.
    Wir zogen schon nach Wochen um. Die Wohnung, die wir suchten, konnte Albert nicht groß, nicht

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