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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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Boot. Stumm machten wir uns für den Sprung ins Wasser fertig.
    Wir streiften die engen Tauchanzüge über, halfen uns gegenseitig die Gewichte umzuschnallen, den Tank auf den Rücken zu heben, wir setzten die Brille auf und nahmen das Mundstück in den Mund. Der Motor tuckerte schon längst nicht mehr. Die Stille wurde fast unerträglich. Das Boot ruckelte immer wieder ein wenig unruhig an der Boje. Dann sprangen wir hinein, mit den Flossen voran, so wie wir es gelernt hatten. George schien nervös. Er wusste, dass er viel riskierte, seinen geliebten Beruf möglicherweise aufs Spiel setzte. Ich konnte Glorie in den letzten Minuten vor dem Sprung nicht ansehen, konnte mich selbst kaum aufrecht halten, so schlecht war mir zumute.
    Glorie war die Erste, die auf das Wasser aufklatschte, ich landete gleich danach neben ihr. Als wir unten am Ende der Kette, fünfzig, sechzig Fuß tief auf dem Meeresgrund anlangten und die Waagrechte einnahmen, schien alles wie immer. Aber achtete einer von uns auf die Schönheit um uns herum? Ich sah nichts, keine Fische, keine Steine, keine Muscheln, keine Koralle. Der Boden, über den wir hinwegschwammen, fiel langsam, kaum merklich ab. Ich schaute nicht auf das kleine Messgerät, das auf meiner Brust baumelte, ich wollte nicht wissen, wie tief wir gesunken waren. Genauso wenig interessierte mich die Zeit, der Tank. Plötzlich war sie da, die Wand. Wie von einem Bergrücken war der Blick in den Abgrund frei. Das Blau wechselte ins Grün, weiter unten wieder dunkler in ein Nachtblau, das endlich nach Hunderten von Metern in völlige Dunkelheit überging. Fischherden zogen vorbei, wuchernde Korallen, wilde Steinformationen lockten nach unten: Ich konnte mich dem Anblick nicht entziehen. Hier fiel die Wand viele tausend Meter tief. Wir schwammen auf dem Gipfel eines Berges von gigantischem Ausmaß.
    Ich setzte mich mit wenigen Stößen mit den Beinen an die Spitze unserer Gruppe, die Hände gefaltet, so wie wir es gelernt hatten.
    Auf einmal schien alles leicht. Die Trostlosigkeit, die schreckliche Furcht war wie zerstoben. Wie ein jäher Blitz überfiel mich ein Glücksgefühl. Ich spürte mich in der Umarmung des Meeres zutiefst geborgen. Niemand konnte uns mehr sehen, niemand. Jeder war für sich. Alles war gut.
    Alles war gut, was immer auch kommen würde. Wir waren in den Händen der Ewigkeit. Was zählten unsere Nöte, Zweifel, Ängste: Dein Wille geschehe, dachte ich, Dein Wille. Nein, ich dachte es nicht, es durchfuhr mich. Wir schwammen weiter, nun an riesengroßen, kreisförmigen Steingebilden vorbei, wie von Menschenhand geschaffen. Fabelwesen einer geheimnisvollen Unterwelt. Ich fasste nach den runden, gleichmäßigen Einkerbungen. Große traurige Fischaugen traten aus der Korallenwand hervor, schauten mich an. Gleich dahinter tat sich eine Grotte auf. Nun schwamm George vorneweg, über uns, ich hinter ihm. Mit kurzer Bewegung der Flossen, die Arme dicht an den Leib gepresst, kamen wir in einen Tunnel, die Wände so nah, dass wir den Kopf einziehen mussten, die Helle des Meeres hinter uns. Nun nur ruhig atmen! Warum schwamm George so langsam, es gab kein Vorbeikommen. Dem Taucher lauert eine Gefahr auf, er darf sich nicht aufregen, nicht die Beherrschung verlieren. Ich schloss die Augen, versuchte mich abzulenken. Ich dachte an die Kinderzeit, als ich auf dem Betstuhl hockte, kniend, die Hände vor dem Gesicht: Ob Gott Dich sieht? Ob er Dich selbst hier im Dunkel des Meeres wiedererkennen kann? Die Weite hatte uns wieder, tiefer unten, jetzt weit über hundert Fuß. Die Angst war ebenso schnell wieder da, wie sie sich aufgelöst hatte.
    Schwammen wir tiefer? Wir ließen uns die Wand mit ihren Gesteinen, Gewächsen, Riesenkorallen, hinuntertreiben, sahen vor uns die merkwürdigsten, skurrilsten Phantasiegebilde, einem Hieronymus Bosch gleich. Ich sah Glorie unter mir. Sie schwamm ruhig, sie schien entspannt. Wie tief war sie? Hundert Fuß sollten genug sein, hundertzwanzig Fuß, das war das Äußerste. Das war die Grenze. Wir waren zu tief. Wo war George?
    Glorie sah nach oben, ihre Augen im Glas der Maske erweitert, groß die Pupillen, riesengroß, durchdringend. Ich tauchte tiefer, einige Schläge nur und griff nach ihr. Langsam hob sie ihren Arm, die Rechte, vollzog eine umkreisende Bewegung, so, als ob sie mir zuwinken wollte. Ich griff nach ihrer Hand, sie schwamm dicht unter mir. Für Sekunden hielten wir uns fest. Dann senkte sie ihren Kopf, ihren Oberkörper und ließ

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