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Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Titel: Reise zum Rand des Universums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Widmer
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schmalste Lücke. Links ein Auto, rechts ein Fußgänger, dazwischen ich mit 40   km/h, ihre Reibungswärme an beiden Schultern spürend. Die tägliche Herausforderung war, von der Schule herkommend mit vollem Tempo die Bäumligasse hinunterzubrettern und unten mit selbstverständlicher Eleganz in die Freie Straße einzubiegen. Ein Bremsen gab es nicht, denn ich sah die Autos, die von der Handelsbank herkamen, erst im letzten Augenblick auftauchen. Das klappte in der Regel auch gut. Zwischen den fahrenden und den geparkten Autos war ja sozusagen immer Platz. Wenn allerdings auch noch ein Fußgänger auf die Straße hinaustrat, blieb mir nur noch zu brüllen. Das tat ich auch, ich brüllte mir den Weg frei. Man hörte mich meilenweit näher kommen, den brüllenden Urs. Wenn ein Mensch tatsächlich – die Inder oder die Indianer glauben das – dreizehn Leben hat, habe ich in jenen Jahren zwölf von ihnen verbraucht. Mit meinem letzten gehe ich seither behutsam um.
    MEIN nächster bester Freund war Bachi. Peter Bachmann. Wir taten alles zusammen; in der Schule in derselben Bank sitzen (bis uns Herr Graber trennte), Fahrrad fahren (einmal bis ins Tessin), Fußball spielen (ich besaß einen echten Lederball, aber er spielte trotzdem besser), durch Wälder rennen. Einmal schlossen wir Blutsbrüderschaft mit unserm richtigen Blut, wir verbargen uns im Estrich hinter einem Kasten und stachen uns an. Während das Blut aus unsern Wunden tropfte und wir es vermischten, murmelten wir geheimnisvolle Formeln. – Das Wichtigste für uns war aber unser Land. Wir entwarfen und bauten, indem wir es in Wachstuchhefte zeichneten, ein Land, das Bubien hieß und in dem eine Eisenbahn die Ortschaften verband, die Bachi-Ulle-Bahn ( BUB ), denn er war Bachi, ich war Ulle, und unsere zwei Hauptstädte hießen wie wir. Bachi seine, Ulle meine. Wir waren die Staatschefs. Jeder hatte in seinem Teil das Sagen, auch wenn das Ganze ein gemeinsames Bubien war. Föderalismus, auch wenn wir das Wort gewiss nicht kannten. Wir sprachen die Spurweite und Bemalung der Eisenbahn ab, die Lokomotivenmodelle, die Schweinerasse, und wie die Kühe aussahen. Wir zeichneten jeden Tag an unserm Land, zu Hause, stundenlang oft, und zeigten uns am nächsten Morgen erwartungsglühend unsere Erfindungen. (Wir füllten mit der Zeit gewiss ein Dutzend Hefte.) Im Vordergrund, am untern Heftrand, fuhr immer die Bahn, die durch Tunnels auf die nächste Seite des Landes (des Heftes) gelangte. Wir schnitten die Tunnels mit Rasierklingen aus, sonst hätte die Bahn ja nicht in den nächsten Landesteil fahren können. (Auf die nächste Seite.) Kann sein, dass wir zu Beginn nur so daherspielten und uns mit unsern Einfällen überraschten. Bald aber bauten wir unser Land ganz bedacht auf. Wie die beiden verantwortungsvollen Staatsmänner, die wir ja auch waren. Es gab eine ähnliche Anzahl von Männern und Frauen (nach einer ersten Volkszählung hatten wir einen beträchtlichen Männerüberschuss zu korrigieren). Wir bauten genügend Getreide an, um die Bevölkerung zu ernähren, auch Gemüse aller Art. Viele Schweine, vor allem in meinem Landesteil, denn ich war gut im Schweine Zeichnen. Auch Kühe fielen mir leicht, und Rotwild. Katzen und Hunde. Wälder, meist Tannen; aber auch, an bevorzugten Orten, Palmen. Seen, Flüsse. Nach drei, vier Landschaftsseiten kam jeweils eine Ortschaft. Jedes Dorf hatte seinen Bahnhof. Straßen, die über eine Seite hinausführten, waren die Ausnahme. (Sie benötigten auch Tunnels.) Entsprechend wenige Autos auch; aber Fahrräder und Pferdefuhrwerke. Kirchen, obwohl wir beide mit der Religion wenig am Hut hatten; aber eine Kirche gehörte nun einmal zu einem Dorf, und ein schwarzer Pfarrer auch. Friedhöfe, einmal auch ein ganzer Beerdigungszug, der einem Grab zustrebte, an dem zwei Totengräber schaufelten. Auch eine Hochzeit mit einem Bräutigam im Frack und einer Braut mit einem Schleier. Fabriken mit rauchenden Schloten. Schulen, eine Apotheke, auf deren Fassade »Apotke« stand (ein von mir zu spät bemerkter Schreibfehler, der nicht mehr zu korrigieren war), Fußballfelder, auf denen immer ein Spiel im Gang war. Großstadien mit Tribünen in Bachi und in Ulle. Wir trugen eine Meisterschaft aus (eine Liga mit acht oder zehn Vereinen) und würfelten die Resultate. Sechs Tore, mehr schoss nie ein Team; aber gar keins auch keines. Ich versuchte immer wieder, den FC Ulle Meister werden zu lassen, und musste doch oft ein eins zu vier gegen

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