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Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Titel: Reise zum Rand des Universums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Widmer
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als sie war. Wenn er sehr verblüfft war – immer wieder einmal –, rief er: »Heiderabad!« – Auch in Emil und die Detektive war Emil schlauer als die andern Bubendetektive, aber vor allem liebte ich Pünktchen und Anton, vielleicht weil Pünktchen ein so bubenkompatibles Mädchen war. Sie hatte meist ihren Dackel dabei, der sich, statt zu gehen, hinsetzte und sich von Pünktchen schleifen ließ. Pünktchen sagte: »Piefke rodelt mal wieder!«, und Anton nickte verständnisvoll. – Dann, anders, geheimnisvoller: Sally Bleistift in Amerika, ein Buch aus einer ganz andern Welt, aus einem gefährlichen Amerika. Sally Bleistift (komischer Name) war eine Schwarze, dick, gütig, robust, die den Buben, denen es dreckig ging und die immer wieder einmal von der Polizei erwischt wurden, aus der Patsche half. Es ging um das Ankleben von Plakaten oder das Verteilen von Flugblättern, das tödlich verboten war und auf denen immer eine Sichel und ein Hammer zu sehen waren. Ich zitterte mit den Buben, wenn sie nachts unterwegs waren und über die Hinterhöfe, Mauern überspringend, den Polizisten zu entkommen versuchten. Gerade, gerade noch schafften sie es, durch Sallys Hintertür ins Haus zu schlüpfen, und Sally legte einen unschuldigen Teppich über die Falltür, unter der die Druckerpresse stand. Schon polterten die Polizisten gegen die Tür, und Sally bezirzte sie in kurzer Zeit so sehr – »Wo sollen denn hier irgendwelche Lausebengel sein?« –, dass sie bald, höflich salutierend, wieder abzogen. – Jim Strong und John Kling waren die Helden von zwei Groschenromanserien (Hansi Rotzler lieh mir die Hefte) und bestanden die gefährlichsten Abenteuer. In eine Grube voller Giftschlangen geworfen zu werden; an einem Finger über dem Abgrund zu hängen, während der unglaublich heimtückische Gegenspieler schon den Fuß hob, um mit seinen Stahlstiefeln auch auf diesen letzten Rettungsanker zu treten; dem Mann mit der schwarzen Maske den Revolver aus der Hand zu schlagen, während der Schuss schon losging.
    Dann entdeckte ich Karl May. Ich glaube, ich fing tatsächlich mit Winnetou an, Winnetou eins, zwei und drei. Hier war ich wiederum (wie bei Hugo Koblet und Fritz Schär) keineswegs Old Shatterhand – oder gar Winnetou –, sondern der kleine Sam Hawkins, ein Trapper (was für ein Wort mit seinem rätselhaften Sinn: Trapper), der immer »Hi, hi, hi« sagte, und »Wenn ich mich nicht irre«. Er ritt auf einem Klepper (noch so ein Wort), war stets mit Will Parker und Dick Stone zusammen (Trapper auch sie) und mochte zuweilen ein bisschen lächerlich wirken. Aber wenn es galt, seinen Mann zu stehen, war er der mutigste und schoss, in einer Felsspalte steckend, Schuss um Schuss auf die tückischen Kiowas, die seinen Skalp wollten. Das heißt, sie waren hinter seiner nachgewachsenen Glatzenhaut her, weil sie ihn in alten Tagen schon einmal skalpiert hatten. Und er schnitt sich für jeden erlegten Indianer eine Kerbe in den Schaft seines Gewehrs. – Und die Bücher, die im Orient handelten! Durch die Wüste! Von Bagdad nach Stambul! Der Mahdi! Durchs wilde Kurdistan! Diese herrlichen Umschlagzeichnungen, die schwarze Silhouette eines Kamelreiters vor einer goldleuchtenden Sandwüste oder das Tal des Todes, dessen Titel – »Im Tal des Todes« eben – bei meinem Buch m al es odes hieß, weil ein Vor-mir-Leser die andern Buchstaben mit einer Farbe zugemalt hatte, die genau der des Umschlags entsprach. – Hier, im Orient, hieß der Held Kara Ben Nemsi, »der Sohn der Deutschen«, und wieder hatte er einen kleinen, tüchtigen Helfer (so wie Hugo, so wie Old Shatterhand), und wieder war ich dieser und nicht der Sohn aller Deutschen. Sein beziehungsweise mein Name war Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gassorah – oder eventuell: al Gossarah. (Halef hatte eine Schwester oder Frau, Hanneh, in die ich mich verliebte.) Kara Ben Nemsis Pferd hieß Rih. Es galoppierte schneller als die Windsbraut, wenn sein Reiter ihm die rechte Hand zwischen die Ohren legte und »Rih!« rief. Auch ich, wenn ich auf dem Fahrrad zu spät dran war, legte die Hand auf die Mitte des Lenkers und rief »Rih!«, und tatsächlich kam ich dann gerade noch rechtzeitig in der Schule an. – Ich hielt in einem Wachstuchheft die arabischen Wörter fest (die vermeintlich arabischen, weil weder Karl May noch ich uns scheuten, wild durcheinander auch türkische, kurdische oder persische zu verwenden. Gömlek und Kamis, die beide

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