Reiseführer Barcelona
Meister des Modernisme. Er war ein weitgereister Intellektueller mit Kenntnissen auf allen möglichen Gebieten, von Mineralogie bis zu mittelalterlicher Heraldik. Er war Architekturprofessor, produktiver Schriftsteller und nationalistischer Politiker. Die Frage nach der katalanischen Identität und der Schaffung einer katalanischen Architektur füllten ihn voll und ganz aus. Insgesamt schuf er über ein Dutzend große Bauten.
Eines seiner Meisterwerke ist der überschwängliche Palau de la Música Catalana. Die Fassade schmücken fein gearbeitete gotische Fenster, Blumenmuster (Domènech i Montaner befasste sich auch mit Botanik) und Skulpturen von Figuren aus der katalanischen Volkskultur und der Musik, aber auch von ganz gewöhnlichen Bewohnern der Stadt. Der Konzertsaal überwältigt Besucher mit feinen blumenüberzogenen Kolonnaden, glitzernden Buntglaswänden und -decken und einem Bühnenportal voller Skulpturen, die auf verschiedene Musikwerke anspielen.
Sein anderes großes Meisterwerk ist das Hospital de la Santa Creu i de Sant Pau mit glitzernden Mosaiken an der Fassade und einem Buntglasoberlicht, das das Vestibül mit goldenem Licht erfüllt (wie Matisse glaubte auch Domènech i Montaner an die therapeutische Wirkung von Farben). Der Blumenschmuck, die vielen Skulpturen und die fein gearbeiteten Kuppeln zeugen von einem bemerkenswerten Sinn für Schönheit.
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PUIG I CADAFALCH
Wie Domènech i Montaner war auchJosep Puig i Cadafalch (1867–1956) ein Universalgenie: Er war Archäologe, Experte für romanische Kunst und einer der bekanntesten Architekten Kataloniens. Als Politiker und späterer Präsident der Mancomunitat de Catalunya war er eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der katalanischen Nationalbewegung.
Eines seiner vielen modernistischen Juwele ist die Casa Amatller, die einen dramatischen Gegensatz zu Gaudís benachbarter Casa Batlló bildet. Hier gibt es sehr wohl gerade Linien wie auch ausländische Einflüsse (die Giebel sind an niederländische Vorbilder angelehnt). Dazu kommen noch die spielerischen pseudogotischen Skulpturen. Insgesamt schuf Puig i Cadafalch hier ein Haus von eindrucksvoller Schönheit und Schöpferkraft.
Zu den anderen wichtigen Werken von Puig i Cadafalch gehört die Casa Martí (besser bekannt als Els Quatre Gats), eines der ersten Gebäude im Stil des Modernisme in der Stadt (von 1896), mit gotischen Fenstern und originellen schmiedeeisernen Skulpturen. Auch auf dem Gebiet des Industriedesigns war er erfolgreich tätig, wie die Fàbrica Casaramona beweist, ein beeindruckendes Backsteingebäude, das mehr an eine mittelalterliche Festung als an eine Fabrik erinnert. Heute beherbergt es das ausgezeichnete Museum CaixaForum.
MODERNISME & KATALANISCHE IDENTITÄT
Der Modernisme in Barcelona stand freilich nicht allein. In England und Frankreich trat er unter dem Namen Art nouveau auf, in Italien als Lo Stile Liberty, in Deutschland als Jugendstil und in Österreich als Sezession. Die ihnen gemeinsame Vitalität lässt sich als modern, neu, freiheitlich und jugendlich zusammenfassen. Ein weiteres gemeinsames Element war die Sinnlichkeit, die Bewegung, Leichtigkeit und Lebendigkeit mit einschloss. Von dieser Strömung wurden Malerei, Bildhauerei, Kunstgewerbe und Architektur erfasst. Die leitmotivische Grundeinstellung war zum Teil beeinflusst von Prinzipien der japanischen Kunst.
Die Bezeichnung Modernisme ist allerdings etwas irreführend, da sie meist als „raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen“ interpretiert wird. Aber das ist weit ent-fernt von der Realität. Beginnend mit Gaudí hat sich der Modernisme stets an der Vergangenheit orientiert – sei es an der Gotik, der islamischen Tradition oder der Renaissance. Und zu finden gab es da eine ganz Menge. Dort, wo der Modernisme am verspieltesten wirkt, ironisiert er die Regeln und Formen dieser ganz unterschied-lichen Architektur- und Kunststile auf intelligente Weise, um daraus einen spannen-den neuen Stilmix zu schaffen.
Auch die politische Dimension des Modernisme war von Bedeutung: Er entwickelte sich zu einem Mittel, um eine katalanische Identität auszudrücken. Im restlichen Spanien fand der Modernisme kaum Anklang; wo das dennoch der Fall war, waren zumeist katalanische Architekten beteiligt.
Rund 2000 Gebäude in Barcelona und in ganz Katalonien tragen zumindest Züge des Modernisme. Von luxuriösen Wohnanlagen bis zu Kirchen, von Krankenhäusern bis zu Fabriken wurde
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