Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
trafen Sie, um nach England heimkehren zu können?«
Der Doctor schwieg und Johnson auch; wahrlich, es gehörte kühner Muth dazu, die entsetzliche Lage ruhig zu überschauen.
»Nun denn, nahm der Schiffer wieder das Wort, unsere Verhältnisse klären sich wenigstens; wir wissen, was uns bevorsteht. Darum gehen wir zuerst an das Nöthigste; die Kälte ist bitter und wir brauchen zuerst irgend ein Unterkommen.
– Ja wohl, erwiderte der Doctor, und mit Bell’s Hilfe wird sich ein Eishaus leicht herstellen lassen; dann wollen wir den Schlitten herholen, den Amerikaner versorgen und mit Hatteras das Weitere berathschlagen.
– Der arme Kapitän! meinte Johnson, der sich selbst dabei vergaß, wie wird er zu leiden haben!«
Der Doctor und der Schiffer schlossen sich den Anderen wieder an.
Da stand Hatteras, unbeweglich, mit gekreuzten Armen, und stumm die Pläne für die Zukunft überdenkend. Seine Gesichtszüge zeigten wieder die alte unbeugsame Festigkeit. Woran dachte wohl dieser ganz außergewöhnliche Mann? War es an seine verzweifelte Lage oder an seine zerstörten Pläne? Ueberlegte er doch vielleicht den Rückzug, da Menschen und Elemente sich gegen ihn verschworen zu haben schienen?
Seine Gedanken vermochte Keiner zu errathen, er wußte sie tief verborgen zu halten. Der treue Duk lag neben ihm schlafend, er trotzte einer Kälte von zweiunddreißig Grad unter Null (– 37° hunderttheilig).
Bell, der auf dem Eise ausgestreckt, wie leblos dalag, bewegte sich gar nicht; seine Unempfindlichkeit konnte ihm das Leben kosten, er war in Gefahr, zu Stein zu gefrieren.
Johnson rüttelte ihn kräftig auf und rieb ihn mit Schnee ab, dennoch konnte er ihn nur schwer seiner Erstarrung entreißen.
»Frisch auf, Bell! Muth, Muth, rief er ihm zu, laß Dich nicht übermannen; steh’ auf, wir haben zu reden zusammen, wir brauchen ein Obdach. Hast Du’s denn ganz vergessen, wie ein Eishaus gebaut wird? Komm, hilf, Bell! Da ist ein kleiner Eisberg, den wir nur auszuhöhlen brauchen. An’s Werk denn! Das giebt uns zuerst Kraft und Muth wieder, die wir hier vor Allem brauchen!«
Bell, den auch diese Worte noch etwas gleichgiltig ließen, folgte doch der Leitung des alten Seemanns.
»Unterdessen, fügte dieser noch hinzu, wird sich Herr Clawbonny der Mühe unterziehen, zum Schlitten zu gehen und diesen sammt den Hunden herzubringen.
– Ich bin bereit, erwiderte der Doctor, und kann wohl in einer Stunde zurück sein.
– Begleiten Sie ihn, Kapitän?« wandte sich Johnson fragend an Hatteras.
Obgleich noch vertieft in seine Gedanken, hatte dieser den Vorschlag seines Schiffers doch vernommen, denn er erwiderte mit weicher Stimme:
»Nein, mein Freund, wenn sich der Doctor der Sache annehmen will … Noch diesen Tag muß ein Entschluß gefaßt sein, und ich will allein sein, um ungestört nachzudenken. Geht, macht, was Alle den Augenblick für das Nöthigste halten, ich denke an die Zukunft.«
Johnson näherte sich dem Doctor.
»Das ist merkwürdig, sagte er, der Kapitän scheint schon allen Zorn vergessen zu haben, nie war seine Stimme so sanft und weich.
– Recht gut, entgegnete der Doctor, so hat er auch sein kaltes Blut wieder. Glauben Sie mir, Johnson, dieser Mann und kein Anderer ist im Stande, uns Alle zu retten.«
Der Doctor hüllte sich so gut wie möglich ein, und ging, den eisenbeschlagenen
Stock in der Hand, in der Richtung nach dem Schlitten, mitten durch den Nebel, den der Mond einigermaßen durchdrang.
Johnson und Bell gingen nun sogleich an’s Werk. Der alte Seefahrer trieb immer den Zimmermann an, der schweigend arbeitete; zu bauen gab es eben eigentlich Nichts, der gewählte Block war nur auszuhöhlen. Das harte Eis setzte ihnen vielen Widerstand entgegen, dafür versprach das Obdach desto fester und sicherer zu werden. Bald konnten die Beiden schon von der ersten Aushöhlung gedeckt arbeiten, indem sie die losgelösten Eisstücke hinter sich entfernten.
Hatteras setzte sich von Zeit zu Zeit in Bewegung, aber immer blieb er bald wieder stehen, offenbar scheute er sich, bis an das Todtenbett seiner Brigg zu gelangen.
Wie er versprochen, kam der Doctor bald zurück; auf dem Schlitten ausgestreckt und mit dem Zeltstoffe möglichst umwickelt, lag Altamont; nur mit Mühe noch zogen die mageren, entkräfteten und hungrigen grönländer Hunde; es war höchste Zeit, daß die ganze Gesellschaft, Menschen und Thiere, neue Nahrung und Ruhe fand.
Während das Eishaus an Tiefe zunahm, hatte der
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