Reisestipendien
konnte Harry Markel wegen des Feldes seiner geplanten Raubzüge völlig beruhigt sein. Schlimmsten Falles hätte er sich ja auch für den Kapitän Paxton ausgeben können.
Aus dem von dem Kapitän geführten Reisejournal ging ferner hervor, daß er niemals die Antillen – weder die französischen oder englischen, noch die holländischen, dänischen oder schwedischen – besucht hatte. War er von Mrs. Kathlen Seymour erwählt worden, die Stipendiaten der Antilian School dahin zu befördern, und war der »Alert« für diese Reise gechartert worden, so war das auf die besondere Empfehlung eines in Liverpool ansässigen Korrespondenten geschehen, der sich für das Schiff und für den Kapitän verbürgte.
Gegen halb ein Uhr, wo Harry Markel nach dem Auslöschen der Lampe die Kabine wieder verließ, bestieg er das Vorderkastell. Hier trat ihm John Carpenter entgegen.
»Noch immer windstill? fragte er.
– Noch immer, antwortete der Obersteuermann, und auch keine Aussicht auf eine Änderung des Wetters!«
In der Tat rieselte auch jetzt noch der Nebel aus den niedrig hängenden, den Himmel bedeckenden Wolken nieder, wie vorher war es auf der Bai totenstill, eine Ruhe, die von keinem Plätschern der Strömung unterbrochen wurde. Jetzt war eben die Zeit des sogenannten Geviertscheines, wo die Gezeiten zu dieser Jahreszeit nur ziemlich schwach auftreten. Auch die Flutwelle schritt nur langsam durch die Hafeneinfahrt nach Cork hin vor und reichte nicht weiter als zwei Seemeilen im Bette des Lees hinaus.
Der nächste Wechsel des Wasserstandes mußte um drei Uhr früh eintreten und mit ihm wieder die Ebbeströmung bemerkbar werden.
John Carpenter hatte gewiß Ursache genug, über die Widerwärtigkeiten, durch die sie hier zurückgehalten wurden, zu schimpfen. Mit der Ebbe und nur einer Handvoll Wind, mochte er wehen, woher er wollte, hätte der »Alert« unter Segel gehen, die Landspitze an der Farmarbucht umschiffen und die Hafeneinfahrt erreichen können. Selbst wenn man dabei ein paarmal hin-und herlavieren mußte, hätte er bei Tagesanbruch schon weit draußen vor der Bai von Cork sein können. Doch nein… noch lag er hier vor seinem Anker, unbeweglich wie eine Boje oder ein toter Körper. An ein Abfahren unter diesen Verhältnissen war gar nicht zu denken.
Es galt also nur, sich zu bezähmen und vorläufig ohne die Hoffnung auf eine Änderung, wenn die Sonne über die Uferhöhen der Farmarbucht emporstieg. Wiederum vergingen zwei Stunden. Weder Harry Markel noch John Carpenter oder Corty hatten daran gedacht, sich niederzulegen, während ihre Genossen, meist auf dem Vorderdeck längs der Schanzkleidung ausgestreckt, in tiefem Schlummer lagen. Das Aussehen des Himmels änderte sich nicht. Die Wolken blieben an derselben Stelle stehen. Strich auch dann und wann ein schwacher Lufthauch von der Seeseite herein, so erstarb er doch sofort wieder, und nichts deutete darauf hin, daß eine Brise, sei es vom Meere, sei es vom Lande her, aufspringen würde.
Um drei Uhr siebenundzwanzig Minuten, als schon ein fahler Lichtschein über dem östlichen Horizonte stand, stieß das von der Ebbeströmung erfaßte Boot, das noch an der Leine hing, leicht gegen den Rumpf des »Alert«, der sich nun ebenfalls vor seinem Anker drehte und das Heck der Seite des Meeres zuwendete.
Vielleicht kannte man hoffen, daß das Sinken des Wassers ein wenig Nordostwind herbeiführen würde, der es dem Schiffe dann ermöglicht hätte, seinen Ankerplatz zu verlassen und in den Sankt-Georgskanal zu gelangen. Diese Hoffnung täuschte jedoch. Die Nacht verging, ohne daß es möglich wurde, den Anker einzuziehen.
Ranyah Cogh zündete eine Laterne an, durchsuchte die Küche und die Vorratskammer. (S. 76.)
Jetzt wurde es aber dringend nötig, sich der Leichen zu entledigen. Vorher wollte John Carpenter sich nur überzeugen, daß diese nicht durch einen Wasserwirbel in der Farmarbucht zurückgehalten würden. Corty und er bestiegen deshalb das Boot, erkannten aber mit Befriedigung, daß die Strömung nach dem Landvorsprünge der Bucht zu verlief. Die Ebbe nahm das Wasser in dieser Richtung mit.
Das Boot kehrte zurück, legte sich mittschiffs dicht an den Rumpf des Fahrzeugs, und einer nach dem andern wurden die toten Körper darin niedergelegt.
Um ganz vorsichtig zu sein, trieb man das Boot bis zur andern Seite der Landspitze, gegen die sie sonst hätte die Strömung tragen und vielleicht am Strande liegen lassen können.
Dann versenkten John
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