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Reisestipendien

Reisestipendien

Titel: Reisestipendien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gefängnisse von Queenstown entwichenen Häftlinge seiner bemächtigt haben könnten. Die Polizei setzte gewiß ihre Nachforschungen fort und dehnte diese auch auf die Umgebung der Stadt aus. Die ganze Grafschaft wurde voraussichtlich strengstens überwacht und das Land weithin mit Steckbriefen überschwemmt. Kurz, niemand würde daran zweifeln, daß die Verbrecherbande bald wieder hinter Schloß und Riegel käme.
    Nur eines machte deren Lage doch etwas bedenklicher: die Unmöglichkeit, sofort abfahren zu können.
    Das Wetter hatte sich nicht geändert und schien auch keine Neigung zu haben, bald umzuschlagen. Noch immer der feuchte Nebel, der aus niedrigen Luftschichten herabrieselte. Die unbeweglichen Wolken schienen sich zur Meeresfläche herabsenken zu wollen. Zuweilen konnte man nicht einmal den doch so hellen Lichtschein des Leuchtturmes am Eingange der Bai wahrnehmen. Bei der tiefen Finsternis versuchte es gewiß kein Dampfer, hinaus oder herein zu kommen. Jeder hätte sich damit großen Gefahren ausgesetzt, da nicht einmal die Leuchtfeuer der Küste und des Sankt-Georgskanals zu erkennen waren. Segelschiffe aber mußten draußen einige Seemeilen von der Küste schon wegen der Windstille liegen bleiben. Das Meer »fühlte nichts«, wie die Seeleute sagen. Kaum bewegte sich die Oberfläche der Bai von der langsam eindringenden Flutwelle, kaum plätscherte das Wasser hörbar am Vordersteven des »Alert«, und das am Hinterteile angeseilte Boot rührte sich nicht von der Stelle.
    »Nicht einmal Wind genug, meine Mütze zu füllen!« rief John Carpenter und begleitete seine Worte mit einem gemeinen Fluche.
    An ein Abfahren war also nicht zu denken. Träge hingen die Segel an den Masten herunter und das Schiff wäre mit dem Flutstrome höchstens nach dem Hafen von Queenstown getragen worden.
    Beim Wechsel der Gezeiten führt das vom hohen Meere eindringende Wasser gewöhnlich etwas Wind herbei, und obgleich ein solcher jetzt eine widrige Richtung gehabt hätte, würde ihn Harry Markel doch benutzt haben, lavierend aus der Bai hinaus zu kommen. Der Obersteuermann kannte die Wasserverhältnisse hier so genau, daß die Fahrt des Schiffes unbehindert geblieben wäre, und einmal draußen, mußte es dem »Alert« schon möglich werden, jeden schwachen Windhauch auszunutzen. Wiederholt stieg John Carpenter nach einer der Marsen (Mastkörbe) hinauf, vielleicht hielt nur die von einem steilen, hohen Ufer eingeschlossene Bucht den Wind noch zurück. Nein… vergeblich; der Wimpel am Großmast blieb so schlaff hängen wie bisher.
    Alle Hoffnung war jedoch noch nicht verloren, selbst wenn sich vor Tagesanbruch kein Wind erhob. Nach Mitternacht trat wieder der Gezeitenwechsel ein. Mit dem dann einsetzenden Ebbestrome konnte Harry Markel ja versuchen, nach dem offenen Meere zu gelangen. Mit Hilfe der Boote, worin die gesamte Mannschaft Platz nehmen und rudern mußte, konnte der »Alert« ja fortgeschleppt und bis zur Bai hinaus gebracht werden. Harry Markel und John Carpenter hatten an diese Aushilfe gewiß auch schon gedacht. Was geschah aber, wenn das Fahrzeug draußen noch immer in eine Windstille geriet? Fanden die Passagiere das Schiff nicht mehr an seinem Platze, so kehrten sie natürlich zum Hafen zurück, und dort erfuhr man von ihnen, daß der »Alert« abgefahren sei. Dann suchte man ihn jedenfalls in der Bai. Und wenn nun das Hafenamt eine Dampfschaluppe hinausschickte, die es etwa jenseits der Rochespitze einholte? Da wären Harry Markel und seine Leute ja der schlimmsten Gefahr ausgesetzt. Das still liegende Fahrzeug wäre erkannt, bestiegen und durchsucht worden. Dann wurden alle verhaftet und die Polizei erfuhr von dem blutigen Auftritte, der dem Kapitän Paxton und seiner Mannschaft das Leben gekostet hatte.
    Es war also augenscheinlich mit einer wirklichen Gefahr verbunden, jetzt abzufahren, da der »Alert« nicht sicher war, draußen auch weiter fortzukommen; freilich lag kaum eine kleinere Gefahr darin, in der Farmarbucht noch länger zu verweilen. Zu dieser Jahreszeit hielten Windstillen nicht selten gleich mehrere Tage hintereinander an.
    Jedenfalls mußte ein Entschluß gefaßt werden.
    Erhob sich im Laufe der Nacht gar kein Wind und war es also ganz unmöglich, abzusegeln, so blieb Harry Markel und seinen Genossen nichts anderes übrig, als das Schiff wieder zu verlassen, sich im Boote nach dem Hintergrunde der Bucht zu flüchten und sich auf dem Lande in der Hoffnung zu zerstreuen, daß die Bemühungen

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