Reisestipendien
bis Mitternacht ausgedehnt. Sie lauerten nur auf das Aufspringen einer Brise, die sich doch weder von der Land-noch von der Seeseite her erheben wollte. Hätte es nur genügend geweht, die obern Segel zu schwellen, so würden sie nicht gezögert haben, den Anker – mit der Vorsicht, die Passagiere nicht zu erwecken – aufzuwinden und sich aus der sie umgebenden Flottille zu entfernen. Als aber gegen vier Uhr Morgens nach Eintritt des Niedrigwassers sich die Flut schon wieder bemerkbar zu machen anfing, mußten sie auf jede Hoffnung verzichten, von Roberts-Cove bald wegzukommen. Darauf waren sie denn auch wieder, der eine in seine Kabine unter dem Deckhause, der andere in die seinige neben dem Volkslogis gegangen, um noch einige Stunden auszuschlafen.
Die jungen Leute trafen also nur Corty auf dem Hinterdeck, während zwei Matrosen auf dem Vorderdeck Wache hielten.
An Corty richteten sie denn auch die unter den obwaltenden Umständen nächstliegende Frage:
»Nun… die Witterung?…
– Gar zu schön.
– Und der Wind?
– Nicht genug, eine Kerze auszublasen!«
Draußen über dem Sankt-Georgskanäle stieg jetzt, wie aus einer Schicht warmer Dünste, der Sonnenball empor. Die Dunstmasse löste sich aber sehr schnell auf und das Meer glitzerte unter den ersten Strahlen des jungen Morgens.
Um sieben Uhr traf Harry Markel, als er die Tür seiner Kabine öffnete, mit Patterson zusammen, der eben aus seiner Kabine trat. Da hörte man dann ein verbindliches »Guten Morgen!«, das der eine mit wohlgesetzten Worten darbrachte, der andere aber nur mit einer leichten Verbeugung beantwortete.
Patterson ging nach dem Deckhause hinauf, wo er die ganze junge Welt antraf.
»Nun, meine lieben Preisträger, begann er, wird denn heute unser scharfer Bug die endlose Wasserwüste durchfurchen?
– Ich fürchte vielmehr, Herr Patterson, daß wir noch einen Tag verlieren werden, antwortete Roger Hinsdale, wobei er nach dem spiegelglatten Meere wies, das kaum unter einer schwachen Dünung zu atmen schien.
–
Diem perdidi,
werde ich dann am Abend mit Titus ausrufen können.
– Gewiß, bemerkte dazu Louis Clodion. Titus meinte damit freilich, daß er an dem betreffenden Tage habe keine gute Tat ausführen können… wir drücken dadurch leider nur aus, daß es uns nicht vergönnt war abzufahren!«
Eben jetzt wurden Harry Markel und John Carpenter, die auf dem Vorderdeck beieinander standen, in ihrem Gespräche unterbrochen. Corty rief ihnen mit verhaltener Stimme zu:
»Vorsicht!… Achtung!
– Was gibt es denn? fragte der Obersteuermann.
– Seht nur dort hinaus, doch haltet euch verborgen«, antwortete Corty, der mit dem Finger nach einer hoch und steil aufragenden Stelle der Küste zeigte.
Da am Rande bewegte sich ein Trupp von etwa zwanzig Menschen. Sie gingen auf und ab und lugten einmal zurück nach dem Lande und dann nach dem vor ihnen liegenden Meere hinaus.
»Das sind Konstabler, sagte Corty.
– Ja… gewiß, bestätigte Harry Markel.
– Und was sie sachen, das kann man sich wohl denken, setzte der Obersteuermann hinzu.
– Alle Mann unter Deck, befahl Harry Markel, und daß sich keiner sehen läßt!«
Die auf dem Vorderkastell beisammen stehenden Matrosen stiegen sofort herunter.
Harry Markel und die beiden anderen blieben auf dem Deck, traten aber dicht an die Schanzkleidung des Backbords heran, um nicht frei gesehen zu werden und doch die Polizisten im Auge behalten zu können.
Diese waren wirklich zur Aufspürung der Flüchtlinge ausgesandt. Nach erfolgloser Absuchung der Stadt und des Hafens hatten sie sich längs des Ufers zerstreut, und es schien, als ob sie den »Alert« mit besonderer Aufmerksamkeit beobachteten.
Immerhin war doch kaum anzunehmen, daß sie die Bande Harry Markels an Bord dieses Dreimasters vermuteten, dessen sich die Verbrecherrotte am Abend vorher in der Farmarbucht bemächtigt hatte. Vor Roberts-Cove lagen obendrein so viele Schiffe, daß es ganz unmöglich war, alle zu untersuchen. Freilich kamen hierbei nur die in Frage, die die Bai von Cork im Laufe der Nacht verlassen hatten, und den Konstablern mußte jedenfalls bekannt sein, daß der »Alert« zu diesen gehörte.
Nun kam es also darauf an, ob sie nach dem Strande heruntergehen, dort etwa ein Fischerboot requirieren und sich an Bord führen lassen würden.
Harry Markel und seine Gefährten erwarteten mit begreiflicher Angst die nächste Entwicklung der Dinge.
Auch die Aufmerksamkeit der Passagiere war durch das
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