Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reisestipendien

Reisestipendien

Titel: Reisestipendien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
an einer Klampe festhielt, in den ›Vorschriften zum Gebrauche für Passagiere, die noch nicht seefest sind‹, gelesen, daß es sich empfehle, die Augen aufs Meer zu richten.«
    Tatsächlich findet sich diese Empfehlung in jenen Vorschriften, gleichzeitig aber auch die andere, obgleich sich beide zu widersprechen scheinen. Patterson war übrigens entschlossen, allen ohne Ausnahme nachzukommen. Er hatte sich deshalb auch mit einer roten Flanellbinde versorgt, die ihm dreimal um den Leib reichte und diesen eng einschnürte.
    Trotz seiner Vorsichtsmaßregeln fühlte sich der Mentor allmählich aber immer unbehaglicher. Das Herz schien ihm in der Brust wie ein Pendel hin und her zu schwingen, und als Wagah die Frühstücksstunde anschlug und die ungen Leute in die allgemeine Kajüte eintreten ließ, da blieb er ruhig am Großmaste stehen.
    Mit einer Teilnahme, bei der es ihm nicht Ernst war, redete Corty den Ärmsten an.
    »Sehen Sie nun, lieber Herr, wenn bei Ihnen da inwendig nicht mehr alles in Ordnung ist, haben Sie sich das selbst zuzuschreiben, weil Sie auch im Sitzen den Bewegungen des Schiffes nicht gefolgt sind.
    – Ja, guter Freund, das war nur gar so schwierig…
    – Ach… nicht doch! Sehen Sie… so…«
    Corty machte es ihm vor, beugte sich nach rückwärts, wenn der »Alert« mit der Nase in eine Welle einschnitt, und nach vorwärts, wenn das Heck sich im schäumenden Kielwasser befand.
    Patterson stand jetzt zwar, konnte sich aber nicht im Gleichgewicht halten und murmelte:
    »Nein… das ist unmöglich!… Helfen Sie mir wieder zurück auf meinen Sitz. Wir haben eine gar zu grobe See!
    – Grobe See, werter Herr?… Das ist ja das reine Öl!« versicherte Corty.
    Natürlich ließen die Passagiere ihren Patterson mit seinem kläglichen Zustand nicht außer Acht. Immer traten einige heran, sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Sie suchten ihn durch Geplauder zu zerstreuen, überschütteten ihn mit Ratschlägen, erinnerten daran, daß in den »Vorschriften« noch so manches andere empfohlen wäre, und Patterson schlug es auch nicht ab, alles zu probieren.
    Hubert Perkins ging nach der Kajüte, ein Fläschchen mit Rum zu holen. Daraus füllte er ein Gläschen mit dem herzstärkenden Getränk, und Patterson nahm dieses in kleinen Schlucken zu sich.
    Eine Weile nachher brachte ihm Axel Wickborn Melissenwasser, und er verschlang davon einen tüchtigen Löffel voll.
    Die Beschwerden des Armen hielten jedoch an, sie verbreiteten sich sogar über die Magengrube hinunter, und ein Stück mit Kirschwasser getränkter Zucker vermochte sie auch nicht zu mildern.
    Schon rückte der Augenblick heran, wo Patterson, dessen gelbe Gesichtsfarbe zur weißen geworden war, sich genötigt sehen mußte, seine Kabine aufzusuchen, wo das Übel freilich eher noch schlimmer zu werden drohte. Louis Clodion fragte ihn noch, ob er denn auch alles versucht habe, was in den berühmten »Vorschriften« empfohlen war.
    »Ja… alles! stammelte er mit so wenig wie möglich geöffnetem Munde. Ich trage sogar auf dem bloßen Körper ein von meiner Frau angefertigtes Beutelchen mit Seesalz darin!«
    Wenn freilich dieses Beutelchen keinen Erfolg hatte, wenn Flanellgürtel und Seesalz wirkungslos blieben, dann… dann war ja nichts mehr zu machen.
    Die drei folgenden Tage, an denen eine ziemlich steife Brise wehte, war Patterson jämmerlich krank. Trotz dringendster Aufforderung wollte er seine Kabine nicht verlassen; er hielt sich
ad vomitum,
wie er gewiß gesagt hätte, wenn er noch im stande gewesen wäre, ein lateinisches Citat über die Lippen zu bringen.
    Da fiel ihm noch ein, daß seine Gattin ihm auch ein Säckchen mit Kirschkernen in die Reisetasche gesteckt hatte. Nach den oft genannten Vorschriften Vergalls sollte es nun genügen, einen dieser heilsamen Wunderkerne im Munde zu halten, um ebenso die Entstehung wie die Fortdauer der Seekrankheit zu verhindern. Da der Mentor davon einen kleinen Vorrat besaß, konnte er ja auch einen aus Versehen verschluckten Kern leicht durch einen andern ersetzen.
    Patterson bat also Louis Clodion, das bewußte Säckchen zu öffnen und ihm einen Kirschkern zu entnehmen, den er dann sogleich in den Mund steckte. Leider flog dieser bei einem heftigen Schlucksen gleich wieder wie die Kugel eines Blaserohres daraus hervor.
    Was nun anfangen?… Gab es noch weitere, nicht geprüfte Vorschriften? Waren schon alle Verhinderungs-, alle Heilmittel erschöpft?… Es war doch wohl auch empfohlen, ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher