Reisestipendien
vier Uhr seine Kabine, erkletterte die Wanten des Großmastes und setzte sich auf der Raa des großen Bramsegels fest.
Magnus Anders wollte der erste sein, der das Auftauchen seiner Insel verkündete, und wirklich erkannte er kurz vor sechs Uhr den ziemlich großen Kalkberg, der bei einer Höhe von dreihundertzwei Metern ihr Inneres beherrscht. Da jubelte er »Land! Land!« mit so durchdringender Stimme, daß seine Kameraden eiligst auf dem Deck erschienen.
Der »Alert« drehte nun sofort auf die Westküste von Sankt-Barthelemy zu, um Carénage, dessen bedeutendsten oder richtiger einzigen Hafen, anzulaufen.
Obwohl es nur mäßig stark wehte und man dicht am Winde segeln mußte, kam der Dreimaster doch recht schnell vorwärts und fand je näher der Küste desto ruhigeres Wasser.
Kurz nach sieben Uhr bemerkte man auf dem Gipfel des erwähnten Berges eine Anzahl Personen an der Stelle, wo die Kolonisten von jeher die schwedische Flagge aufzuziehen pflegten.
»Das ist eine jeden Morgen wiederkehrende kleine Feierlichkeit, sagte Tony Renault, und die schwedische Flagge wird jedenfalls mit einem Kanonenschuß begrüßt werden.
– Mich wundert nur, bemerkte Magnus Anders, daß das heute noch nicht schon geschehen sein sollte. Gewöhnlich wählt man dazu die Stunde des Sonnenaufganges, und jetzt steht doch die Sonne schon gegen drei Stunden am Himmel.«
Diese Bemerkung war ganz richtig, und das legte die Frage nahe, ob es sich bei dem, was man sah, wohl um die gewohnte Feierlichkeit handelte oder nicht.
Der Hafen von Gustavia bietet Schiffen von nicht mehr als zwei bis drei Meter Tiefgang vortreffliche Ankerplätze, die im Schutze von Sandbänken liegen, woran sich die Meereswellen brechen.
Was die Aufmerksamkeit der jungen Reisenden zuerst erregte, war die Anwesenheit des Kreuzers, den sie am Tage vorher gesehen hatten. Mitten im Hafen lag er vor Anker mit gelöschten Feuern und eingebundenen Segeln, wie ein Schiff, das einen längeren Aufenthalt nehmen soll. Das machte Louis Clodion und Tony Renault besonderes Vergnügen, denn sie rechneten darauf, dem Kreuzer, einer freundlichen Aufnahme sicher, einen Besuch abzustatten. Desto unangenehmer und sogar recht beunruhigend war das Erblicken des Kriegsschiffes Harry Markel und seiner Mannschaft.
Der »Alert« befand sich nicht mehr weiter als eine Viertelmeile vom Hafen und Harry Markel konnte es, selbst wenn er’s gewollt hätte, nicht umgehen, dahin einzulaufen, da ja Sankt-Barthelemy als Station in den Reiseplan aufgenommen war. Wohl oder übel schickte er sich, übrigens weniger ängstlich als John Carpenter und die anderen, eben an, den Eingang zu passieren, als ein Kanonenschuß über das Wasser dröhnte.
Gleichzeitig stieg auf dem Gipfel des Berges eine Flagge in die Höhe.
Wie verwunderten sich aber alle – eine Verwunderung, die sich bei Magnus Anders zum sprachlosen Erstaunen steigerte – als man vom Schiffe aus erkannte, daß die Flagge nicht die schwedischen, sondern die französischen Farben zeigte.
Harry Markel und seinen Spießgesellen war es trotz ihrer Verwunderung doch herzlich gleichgültig, ob hier die Flagge dieses oder jenes Landes wehte; sie kannten ja nur eine: die schwarze Seeräuberflagge, unter der auch der »Alert« fahren sollte, wenn vor seinem Bug erst das Wasser des Großen Ozeans aufschäumte.
»Die Flagge Frankreichs! hatte Tony Renault gerufen.
– Die Trikolore des Vaterlandes? fiel Louis Clodion ein.
– Sollte der Kapitän Paxton sich getäuscht haben, fragte Roger Hinsdale, und hätte er fälschlicherweise den Kurs nach Guadeloupe oder Martinique eingeschlagen?«
Harry Markel hatte jedoch keinen solchen Irrtum begangen. Der »Alert« war tatsächlich vor Sankt-Barthelemy eingetroffen, und drei Viertelstunden später ging er im Hafen von Gustavia vor Anker.
Magnus Anders fühlte sich natürlich recht bekümmert. Bisher hatten Dänen und Franzosen in Sankt-Thomas, Sainte-Croix und Sankt-Martin die Flaggen ihres Vaterlandes flattern sehen, an dem Tage aber, wo der junge Schwede die einzige Kolonie seines Heimatlandes betreten wollte, an diesem Tage entrollte sich keine blaugelbe Flagge.
Eine Erklärung dafür blieb nicht lange aus: die Insel Sankt-Barthelemy war für die Summe von 277.500 Francs an Frankreich abgetreten worden. Der Vertrag hatte auch den Beifall der Kolonisten gefunden, die ja zum allergrößten Teile normännischer Abstammung waren, denn von dreihunderteinundfünfzig Stimmberechtigten hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher