Reiterferien am Meer
dabei nicht lassen, denn bei einem so brutalen Kerl wie Lennys Vater, der sich an Ihrem Eigentum vergreift und seinen Sohn prügelt, brauchen Sie unbedingt männliche Hilfe. Also, bitte, nehmen Sie meinen guten Rat an!“
Liebe Eltern, nun liege ich wieder daheim im Bett. Der Arzt ist überzeugt, dass ich keinen Schaden genommen habe, und wenn alles gut geht, darf ich morgen aufstehen. Ob Golden Boys Gelenke sich wieder verschlimmert haben, wird sich erst in zwei bis drei Wochen zeigen, aber Don hat ihn zu Fuß von der Pringle-Bucht heimgeführt, ohne dass sich Komplikationen ergeben hätten. Deshalb hoffen wir alle das Beste.
Natürlich sind Babs und ich vor Sorge um Lenny ganz aus dem Häuschen. Inzwischen sind Tante Di und Steve Rowlands bestimmt an Ort und Stelle. Babs hat heute auf das gemeinsame Mittagessen auf dem Folly-Hof verzichtet, um bei mir zu sein, falls die Tante anruft … Gerade in diesem Augenblick läutet es!
Noch ehe ich den Stift niedergelegt hatte, war Scamp von meinem Bett gesprungen. Er raste aus der Tür und polterte die Treppe hinunter. Bellend blieb er offenbar dicht beim Apparat stehen, denn ich hörte, wie Babs ihn laut zur Ruhe mahnte. Dann sagte sie:
„Hallo! Ja, bist du es, Tante Di?“
Ich kletterte aus dem Bett und ging ebenfalls hinunter. Dicht neben Babs legte ich das Ohr an den Hörer, sodass ich mitkriegte, was Tante Di berichtete.
„Polizei und Jugendfürsorge haben uns schon erwartet. Zum Glück war mein Haus unversehrt, der Einbruch hat nicht stattgefunden. Jemand muss Arter gewarnt haben.“
„Lenny?“, entfuhr es mir. „Hat er seinen Vater umgestimmt?“
„Wie alles gekommen ist, wissen wir selbst noch nicht“, fuhr Tante Di fort. „Wir hatten nämlich bisher noch keine Gelegenheit, mit Lenny zu sprechen.“
„Wieso nicht?“, fragte Babs, und ich nickte atemlos. „Wo ist er denn?“
„Wir haben keine Ahnung“, musste Tante Di eingestehen. „Es scheint, als habe er seinen Vater am Einbruch in mein Haus gehindert. Dann ist der Junge wohl weggelaufen, und der Vater hat sich aus dem Staub gemacht.“
„Woher wisst ihr das alles?“, fragte Babs atemlos.
„Herr Gifford, der ein Stück weiter am Zufahrtsweg wohnt, hat alles beobachtet. Er sah, wie Arter seinen Sohn verprügelte, doch während er hinzulief, um den Jungen zu befreien, konnte Lenny sich losreißen. Als der Alte einen Fremden kommen sah, ist er in seinem Lastwagen schleunigst weggefahren.“
„Wo mag Lenny nur stecken?“, brachte ich sorgenvoll hervor.
„Das wissen wir leider nicht“, erwiderte Tante Di. „Aber wir lassen die ganze Nacht über eine Lampe im Haus brennen, damit er weiß, dass ich wieder daheim bin. Und zu euch kehren wir erst zurück, nachdem er sich bei uns gemeldet hat. Ich kann mir vorstellen, Jackie, wie groß deine Sorge ist, du hast ja den Jungen so gern. Aber sei nicht allzu traurig, Liebes!“
Trotz Tante Dis tröstlichen Worten sorgten wir uns so sehr um unseren angenommenen Vetter Lenny, dass wir keinen Schlaf fanden.
Ich lag wach im Bett und weinte leise ins Kopfkissen, dabei konnte ich hören, wie Babs sich unruhig hin und her wälzte und ihr Kissen immer wieder neu aufschüttelte. Und als ich dann endlich eindämmerte, träumte ich, Lenny würde von seinem grausamen Vater verfolgt, der sich in einen schnaubenden Stier verwandelt hatte. Tante Di auf Golden Boy griff tapfer ein, um den armen Kerl zu retten.
Als der Albtraum seinen Höhepunkt erreicht hatte, fuhr ich aus dem Schlaf und zitterte vor Angst. Erleichtert stellte ich fest, dass alles nicht wahr war.
Ich schlug die Augen auf. Das Zimmer schimmerte im Mondschein. Draußen heulte ein heftiger Wind, er rüttelte an den Ästen der Kirschbäume und peitschte eine Efeuranke gegen die Fensterscheibe.
Ich schaute auf die Uhr. Halb drei! Noch stundenlang musste ich liegen, ehe ich aufstehen, Tante Di anrufen und fragen konnte, ob sie Neues von Lenny wisse.
Vor Kummer und Erschöpfung schlief ich schließlich ein. Jedenfalls erinnere ich mich nur an den Augenblick, als Scamp aus meinem Bett sprang und laut bellend zum Fenster rannte.
Mehrere Kieselsteine von der Auffahrt prasselten gegen die Scheibe, und ein paar davon fielen hörbar auf den Teppich. Und dann schlug mein Herz heftig, denn ich vernahm eine junge Stimme.
„Jackie! Babs! Wacht auf! Ich bin’s, Lenny!“
Mit zwei Sätzen war ich am Fenster, Scamp sprang neben mir auf den Stuhl, und dann spähten wir hinaus. Richtig, da stand eine
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