Reiterhof Birkenhain 01 - Aufregung im Stall
die Hand ins Feuer legen.
Herr Jensen atmete tief durch.
Wer mit Tieren arbeitete, konnte ein ruhiges, beschauliches Leben vergessen. Ständig gab es neue Überraschungen. Er musste die Sache jetzt den Zuschauern erklären. Und sich dann die Zwillinge vorknöpfen. Oder erst Axel Rakete wegen der Frauenkleider? Eins nach dem anderen.
»Aufmarschieren zur Schlussaufstellung«, ordnete Herr Jensen an.
Die Pferde bauten sich, schön ausgerichtet, nebeneinander vor den Zuschauern auf, als wäre nichts geschehen. »Das ist schon faszinierend an Pferden«, erklärte Herr Jensen durch das Mikrofon, »blitzartig ergreifen sie vor einem knisternden Kakaobecher die Flucht, aber ebenso schnell beruhigen sie sich auch wieder.«
Noch einmal kam er auf das Zerdrücken des Bechers zurück.
»Als normaler Besucher kann man von dem Fluchtinstinkt der Pferde nichts wissen. Wenn ich aber einen unserer Reiter erwischen würde . . .«, sein Blick klebte düster an den Zwillingen, »der könnte sofort seine Putzbox packen und sich einen anderen Stall suchen.« Conny ließ die Zwillinge nicht aus den Augen, während sie mit den anderen zur Tribüne hin grüßte. Die Nervis lehnten sich über die Bande und taten so, als würden sie interessiert in die Sägespäne starren. Trotzdem konnte man erkennen, wie sie durch die Wimpern zur Quadrille hinüberschielten.
Plötzlich kam Leben in Dina-Dorothee. Aufgeregt wisperte sie ihrer Schwester etwas zu. Klar, dachte Conny, jetzt haben sie Axel Rakete als achte Spanierin erkannt. Vorhin hatten sie nur ihren dummen Streich im Kopf. Ihr Axel! Sie hatten ihrem Schwarm die Quadrille verdorben. Das musste sie schrecklich treffen. Er würde sie dafür mit Missachtung strafen. Conny konnte wieder grinsen. Wer ändern eine Grube gräbt...
Warmer Applaus holte sie aus ihren Gedanken zurück. Der kleine Zwischenfall schien bei den Zuschauern viel weniger Entsetzen ausgelöst zu haben als bei den Reitern. »Jetzt aber raus«, raunte Axel Rakete. Er hatte es eilig, auf den rettenden Hof zu kommen, bevor ihn jemand erkannte.
»Pause«, kündigte Herr Jensen an und wies in Richtung Bewirtungszelt. »Lassen Sie sich Kaffee und Kuchen schmecken. Danach geht es hier weiter mit Schnupperreiten. Wer will, darf mal in den Sattel unserer Schulpferde steigen.«
Die Zuschauer erhoben sich und schoben sich langsam Richtung Ausgang, während Kai Jensen den Stall mit großen Schritten zur Hofseite hin verließ.
Dort wartete er ungeduldig auf die Quadrille-Truppe. Kai Jensen marschierte sofort auf Axel Rakete zu, als die Reiter aus der Halle kamen, und stemmte seine Hände in die Seiten.
»Und? Warum du?«, wollte er sofort wissen, als seine achte Spanierin vom Pferd sprang.
»Notfall, Chef.«
Axel beeilte sich seinen gewöhnungsbedürftigen Aufzug zu erklären, »Nicky fiel in letzter Sekunde aus ...« Herr Jensen drehte sich schnell um, damit keiner sein Grinsen sah. »Hoffentlich bist du bald raus aus den Sachen. Beim Schnupperreiten will ich dich wieder als Kerl sehen.«
Der Stallbesitzer ging zu Conny hinüber. Sie war nach hinten auf den Hof geritten, um in Ruhe Rockys Beine zu überprüfen. Vielleicht hatte er sich bei der Flucht vertreten? Ihre Hand fuhr tastend an jedem einzelnen Bein herunter. Rocky drehte den Kopf nach hinten, stupste seine Nase in Connys Nacken und rieb seine Lippen an ihrem Rücken ab.
»So, nun ist die Bluse hin. Hast du es endlich geschafft.« Conny konnte sich ein Grinsen über Rocky nicht verkneifen, während sie seine Sprunggelenke befühlte. Nichts geschwollen. Die Beine waren auch nicht warm. Ein gutes Zeichen.
»Alles okay?« Mit steifem Rücken ging Herr Jensen neben Conny in die Hocke und fühlte noch einmal fachmännisch die Beine ab.
Mit der Hand im Kreuz richtete er sich wieder auf. Der Rücken tat ihm seit dem Umbau ständig weh. War wohl ein bisschen viel gewesen, was er seiner Wirbelsäule in den letzten Monaten zugemutet hatte.
»Du weißt, dass es die Zwillinge waren?« Herr Jensen kam gleich zur Sache.
Conny nickte.
»Hast du's schon erzählt?«
Verblüfft sah Conny ihn an.
»Nein, wann denn? Wir sind doch gerade erst abgestiegen.«
»Ich möchte, dass du nicht darüber redest.« Herr Jensen wirkte sehr bestimmt. »Auch wenn du platzt. Ich will nicht, dass es Krieg auf der Stallgasse gibt.« Nachdenklich blickte er zu Jule hinüber, die vorne bei Ankum stand und mit zusammengekniffenen Lippen die Steigbügel hochzog. »Und du kannst dir vorstellen, dass
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