Reiterhof Birkenhain 01 - Aufregung im Stall
saßen da, die die Quadrille kritisch verfolgten. Kein Wunder, schließlich waren sie früher die Stars in der Manege gewesen. Da, ihre Eltern! Toll, dass sie ganz vom einen Platz ergattert hatten. Mit heftigem Augenzwinkern begrüßte Conny die beiden. Direkt neben Jutta und Ulli Clasen hatten sich Luisa, Oma Hilla und Nicky (mit Sonnenbrille und Baseball-Kappe) in die Bank geschoben. Jules Eltern glänzten mal wieder durch Abwesenheit.
Dass die nicht mal kommen, wenn Jule Anfangsreiterin ist, dachte Conny. Gemein. Auch Jules Blicke waren suchend über die Zuschauertribüne gewandert. Das hatte Conny ganz deutlich bemerkt. Bestimmt hatte Jule insgeheim gehofft ihre Eltern mit einem Superritt beeindrucken zu können. Aber Ehepaar Ahrend kam nicht.
Stattdessen entdeckte Conny ein anderes Paar, das sie lieber auf dem Mond gewusst hätte: die Gerlach-Zwil-linge. Die beiden Mädchen hatten einen ungesunden Hang Unruhe zu verbreiten. Und das heute! Die Nervis in der ersten Reihe konnte man bei einer solchen Veranstaltung so gut gebrauchen wie ein Loch in der Reithose.
Conny bedauerte heftig, dass sie die Zwillinge nicht länger beobachten konnte. Aber das neue Musikstück, das soeben einsetzte, war das Kommando zum Quadrille-Beginn. Sie musste jetzt ihren schreckhaften Rocky dringender im Auge behalten als Mia-Mathilde und Dina-Dorothee.
Mit Axel Rakete und Jule am Anfang gab es keine Probleme. Auch mit den Pferden nicht. Im Gegenteil, sie schienen die Musik zu genießen. Willig ließen sie sich je nach Bedarf treiben oder zurückhalten, damit die Abstände zwischen den Paaren gleich blieben. Alles hatte ohne einen einzigen Fehler geklappt. Es hätte die tollste Quadrille seit Bestehen der Reitschule werden können. Hätte...
Wäre nicht kurz vor der Schlussaufstellung genau das geschehen, was Conny vorausgesehen hatte.
Es passierte vor der Tribüne. Conny ritt gerade in Höhe der Zwillinge an den voll besetzten Bänken vorbei, da hörte sie erst ein geflüstertes »Jetzt« und dann das leise Knacken und Knistern eines zusammengedrückten Kakaobechers.
»Das war's dann«, schoss es Conny noch durch den Kopf. Wie aus heiterem Himmel machten alle Pferde einen Satz zur Seite. Rocky war der Erste, der scheute und in Panik davonrannte. Sofort ließen sich die anderen Pferde anstecken. In wildem Galopp hetzten sie durch die Reithalle, stoppten vor der Bande, warfen sich im nächsten Moment herum und flüchteten in die nächste Ecke.
Conny war bei Rockys rasanter Seitwärtsdrehung nach vorn gerutscht und auf seinen Hals gefallen. Ihr rechter Fuß glitt aus dem Steigbügel und sie hing an Rockys Hals, die Hände in die Mähnenzöpfe gekrallt. Würde sie sich halten können? Oder im nächsten Moment stürzen? Mit halbem Ohr hörte sie den Zuruf von Herrn Jensen: »Hinten schwer heruntersetzen.« Wie konnte man sich hinten tief in den Sattel setzen, wenn man sich vorne an zwei Traberohren festhielt? Für klare Gedanken war jetzt keine Zeit. Nicht einmal für Angst. Schnelle Reaktionen waren jetzt gefragt, sonst nichts, denn ihr buckelnder Traber war ungefähr so angenehm wie ein Rodeo-Pferd.
Endlich schien die wilde Jagd zu Ende. Dicht zusammengedrängt kamen die Pferde in einer Ecke zur Ruhe. Jule liefen Tränen der Enttäuschung übers Gesicht. »Keine von euch kann etwas dafür«, tröstete Axel Rakete die Mädchen, die sich jetzt wieder paarweise sammelten, um die Quadrille mit Anstand zu Ende zu bringen. »Da hat mal wieder jemand einen Plastikbecher zerdrückt. Diese Mistdinger gehören verboten. Zumindest im Reitstall.«
Jule wischte sich die Tränen ab und gluckste schon wieder vor sich hin. Es war zu komisch, wenn man Axels dunkle Stimme hörte und ihn dabei ansah, mit seinen rot geschminkten Lippen und den Frauenkleidern.
Axel Rakete sah sich nach Conny um. »Bist du okay?« »Hmm«, war alles, was Conny hervorbrachte. Sie kochte innerlich. Die Gerlach-Zwillinge sollten ihr nicht ungeschoren davonkommen.
Noch jemand kochte. Herr Jensen.
In den letzten Minuten hatte sich sein Gesicht abwechselnd blass und tomatenrot verfärbt. Im Moment sah es so weiß aus wie das Fell von Popcom, dem Schimmelpony. Von seiner Ecke in der Reithalle hatte der Stallbesitzer den Anschlag auf die Quadrille genau beobachtet. Wie Conny hatte er gesehen, dass Mia-Mathilde den Becher bewusst zerdrückt hatte. Jeder im Stall wusste, dass so ein kaum vernehmbares Knacken die Pferde leicht zum Scheuen bringt. Bei Rocky konnte man dafür
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