Reiterhof Birkenhain 01 - Aufregung im Stall
Jule Rache schwören würde ...«
Es war nicht besonders schwer, sich das auszumalen. »Mit den Gerlachs werde ich gleich ein Hühnchen rupfen«, versprach Herr Jensen, »darauf kannst du dich verlassen. Ich verlasse mich dafür auf dein Schweigen.« Mist. Ungehalten murmelte Conny ein paar wenig feine Wörter hinter Herrn Jensen her, der gleich wieder gegangen war. Natürlich hätte sie den anderen am liebsten haarklein berichtet, was sie alles beobachtet hatte. Aber, überlegte Conny im nächsten Moment, wahrscheinlich hatte Herr Jensen Recht. Jule würde sich nicht wieder einkriegen...
Conny hätte zu gern gewusst, wie Herr Jensen das Hühnchen mit den Zwillingen rupfen wollte. Wer ihren Reitlehrer bis zur Weißglut reizte, hatte schlechte Karten. Herr Jensen konnte brüllen, dass einem fast das Trommelfell platzte. Oft passierte das nicht. Aber wenn...
Conny hielt es nicht aus. Wenn sie schon zum Schweigen verdonnert war, wollte sie wenigstens ihren persönlichen Triumph haben.
Rocky rieb seine Nase an ihrem Arm. War das nicht eine klare Ermunterung?
»Komm, mein Junge.« Sie nahm die Zügel vom Hals und führte Rocky zurück in seine Box. »Brav, wie du dich vorhin geschlagen hast. Wie wär's mit einem Mittagsschläfchen? Bevor die Schnupperreiter kommen?« Rocky schnaubte tief und drehte sich zur Tränke. Die Quadrille hatte durstig gemacht.
Conny wusste, wo sie Herrn Jensens Standpauke am besten mitkriegte. Auf dem Heuboden. Sie musste sich beeilen, bevor die anderen mit ihren Pferden hereinkamen. Mit einem kurzen Blick über die Schulter vergewisserte sich Conny, dass noch keine Gefahr drohte. Am Fuß der Treppe sicherte sie noch einmal nach rechts und links. Die Luft war rein. In ein paar Sätzen war sie oben. Warme Luft schlug Conny aus dem hinteren Teil des Heubodens entgegen. Mit vorgestreckten Armen bahnte sie sich einen schmalen Weg durch die aufgestapelten Heuballen. Dahinter lag ein niedriger Kriechboden, nicht mehr als kniehoch. Darunter befand sich das Büro von Herrn Jensen. Wenn man sich flach hinlegte, ein Ohr auf die Holzdielen gepresst, konnte man jedes Wort verstehen.
Nur ihre Freundinnen und sie kannten das Geheimnis. Purer Zufall, dass sie darauf gekommen waren. Letztes Jahr war der Boden mehr als eine Woche völlig leer gewesen. Wegen heftiger Wolkenbrüche konnte der Bauer tagelang kein neues Heu bringen - da hatten sie den Eingang zum Kriechboden entdeckt. Conny war keine Minute zu früh gekommen.
»Nur einer darf in meinem Stall etwas zur Weißglut bringen«, hörte sie Herrn Jensen unter ihrem Ohr brüllen, »und das ist der Schmied.«
Der Chef hatte nicht zu viel versprochen - er kannte bei den Zwillingen kein Pardon. Alle Achtung, dachte Conny bewundernd. Sie hatte immer geglaubt, Privatreiter würden bevorzugt. Das hörte sich nicht so an. »Was glaubt ihr«, bellte Herr Jensen weiter, »wie viele Leute ihr heute durch euren blöden Streich vom Reiten abgeschreckt habt.«
Man hörte ihn mit großen, wütenden Schritten auf und ab gehen. »Ich bin auf das Geld angewiesen. Mit dem Pensionsgeld von euch paar Privatreitern kann man keinen Stall bezahlen.«
Zwischendurch war das halblaute Gemurmel der Schwestern zu hören. Für Conny leider zu leise, um ganze Sätze zu verstehen. Aber genug, um daraus zu entnehmen, dass die Nervis offensichtlich selbst erschrocken darüber waren, was für ein Chaos sie in der Reithalle angerichtet hatten. Jedenfalls hörten ihre Stimmen sich ungewöhnlich kleinlaut an.
Befriedigt wollte Conny sich gerade aufrappeln, als sie mitten in der Bewegung stockte.
»... und dann kommen ja heute noch die beiden Neuen. Was glaubt ihr eigentlich, was das kostet! Und jetzt raus.«
Die Neuen!
Also doch! Das war es, was Theo gemeint hatte.
Conny biss sich in die Fingerspitzen, um nicht laut loszujubeln. Neue Schulpferde - das war spannender als jeder Fernsehkrimi. Sie brannte darauf, die anderen mit der Neuigkeit zu überraschen. Zuerst Jule, um sie von ihrem Quadrillen-Kummer abzulenken.
7. Kapitel
Wild aufs Schmusen
Als Conny vom Boden herunterkam, hatte Herr Jensen schon gefüttert. Die schwere Flügeltür zwischen Reithalle und Boxen war geschlossen und das Schild »Mittagsruhe! Bitte nicht stören!« baumelte an der Klinke. Ein Werk von Bastian. Unter dem Wort »Mittagsruhe« prangte ein großes Foto von Flecken-Paula, auf dem sie schläfrig in die Kamera blinzelte. Dieses Prachtstück von einem Schild konnte wirklich kein Besucher
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