Reiterhof Birkenhain 08 - Achtung Pferde in Not
Albrecht Steinberg. In der rechten Hand schwang er ein Lasso. »Mir nach, gleich haben wir ihn.«
Conny öffnete blitzschnell die Tür und ließ ihren Rocky ins Haus. Hechelnd galoppierte er die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Conny wunderte sich im Traum gerade darüber, dass Pferde Stufen im Galopp nehmen können, da hörte sie den Traberwallach oben ans Fenster stürzen. Aus der Sicherheit ihres Zimmers guckte Rocky in den Garten hinab und streckte den schwarzen Männern die Zunge heraus.
»Na warte, Traber!«
Die Mafia-Männer drohten ihm mit der Faust, rüttelten an der Klinke der Haustür und wollten sie mit Händen und Füßen aufdrücken. Conny stemmte sich mit aller Macht von innen dagegen, doch die massive Tür verwandelte sich unter ihren Händen in die klapprigen Flügeltüren des Pferdetransporters. Der Flur unter ihr wackelte plötzlich wie der Boden eines fahrenden Lastwagens. Stand sie etwa selbst auf einem Transporter? Hatte sich ihr schönes Haus an der Ginsterau über Nacht in ein Pferdegefängnis verwandelt?
»Hilfe!«, wollte Conny schreien, »Hilfe!«, doch sie bekam kein Wort heraus.
Jetzt griffen die Hände der schwarzen Männer durch die rostigen Gitter der Flügeltüren und umklammerten ihre Arme. Und das Wackeln hörte nicht auf.
»Conny, Conny, du träumst. Wach auf!«
Wie durch dicke Wolken drang die Stimme ihrer Mutter zu ihr vor. Sie hatte ihre Tochter an den Handgelenken gefasst und schüttelte sie kräftig.
Schweißüberströmt richtete Conny sich in ihrem Bett auf. Ihre blonden Haare klebten an der Stirn. Einen Moment musste sie überlegen, wo sie war und was gestern passiert war.
»Puh.«
Conny prustete wie ein Pferd. Der Transport! Deichgraf und die anderen Pferde! Onkel Eberhard!
»Telefon für dich«, sagte Frau Clasen. Ihre Stimme klang ziemlich beunruhigt. »Die Autobahnpolizei. Du hast doch nichts angestellt, Conny?«
»Was?«
Mit einem Satz war Conny aus dem Bett. »Wo?«
»Im Wohnzimmer«, rief Frau Clasen hinter ihrer Tochter her und beeilte sich mit ihr Schritt zu halten, als sie die Stufen herunterfegte.
Tatsächlich. Es war Annes Volti-Lehrerin Viktoria Grot-meyer, Polizeiobermeisterin, kurz »POM« genannt. Ganz offiziell meldete sie sich von ihrer Dienststelle, der Autobahnpolizei.
»Uns liegt eine Meldung aus Belm vor«, begann POM Grotmeyer.
»Nach Kenntnisstand von Eberhard und Anne Spielfeld wird heute ein Schlachtpferde-Transporter aus Polen die Al in Nord-Süd-Richtung befahren.«
Die Stimme klang sachlich, fast schon etwas streng, fand Conny. Aber sicher saß Viktoria mit anderen Polizisten im Büro und konnte nicht lang und breit erzählen, wie gut sie Anne aus dem gemeinsamen Reitstall kannte. »Herr Spielfeld meint«, fuhr die Polizistin fort, »du könntest uns eine genaue Beschreibung des Fahrzeugs
liefern, das ... sagen wir mal... ziemlich schrottreif ist. Dann gib uns doch erst mal das Kennzeichen durch.« Vor Aufregung biss Conny sich auf die Unterlippe. Das Kennzeichen!
Zu blöd, dass sie auf diese Frage nicht vorbereitet war. Dabei hatte Bastian den LKW mit seiner Sofortbildkamera fotografiert, auch das Nummernschild. Sie hätte sich das Polaroid-Foto gleich einstecken sollen.
Conny sah auf die Uhr. Ausgerechnet jetzt war Bastian mit seiner Mutter in der Hamburger City.
»Das Kennzeichen? Tut mir Leid, das habe ich gerade nicht«, sagte Conny kleinlaut.
Hatte sie jetzt alles verpatzt? Durch eine einzige Unaufmerksamkeit? Doch dann fing Conny sich wieder. »Aber ich kann Ihnen genau erzählen, wie der Transporter aussieht. Können Sie damit etwas anfangen? Von diesen Lastwagen fahren doch heute sicher nicht so viele über Ihre Autobahn.«
»Natürlich hilft uns das weiter.« Viktoria Grotmeyers Stimme klang jetzt freundlicher. »Schieß mal los.« Conny lieferte eine nahezu exakte Beschreibung des rollenden Ungetüms ab.
»Dunkelrote Zugmaschine, großer Anhänger, überall blättert Farbe ab, viele Roststellen. Am Heck des Anhängers zwei Flügeltüren. An den Seitenwänden acht schmale Reihen von je drei vergitterten Fenstern. Eng vergittert. Der Fahrer nannte sich Joseph, den Nachnamen kennen wir nicht.«
Viktoria Grotmeyer schien beeindruckt, denn sie schwieg. Oder war die Verbindung unterbrochen? Conny lauschte in den Hörer. Nein, im Hintergrund hörte sie Geräusche, die sich aus Pfeiftönen, Gesprächsfetzen aus einem Funkgerät und Radiomusik zusammensetzten. Was Conny nicht sehen konnte: Viktoria kam kaum mit ihren
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