Reiterhof Birkenhain 10 - Ende für die Reitschule
heran.
»Euer Fotograf ist hier - wollt ihr Neuigkeiten hören?« Was für eine Frage!
Eilig kamen Jule und Conny in Jensens Büro. Sie ließen sich kaum Zeit, Herrn Dotter zu begrüßen. Sofort zogen sie Kai Jensen den Zeitungsbericht aus der Hand. Ihre Augen rasten über die Zeilen, es war ein langer Bericht. Danach sagte Jule: »Also ist er doch ein Mistkerl. Sogar richtig vorbestraft!«
Die Sache in dem alten Zeitungsausschnitt lag fast 20 Jahre zurück. Ein gewisser Dieter M. war damals verurteilt worden. Er hatte in einem Baugebiet bei Kassel 15 Tonnen mit hochgiftigem Quecksilber vergraben und Reihenhäuser darauf gebaut. Das Gift sollte eigentlich von einer Entsorgungsfirma in ein Speziallager gebracht werden, als Sondermüll.
Mit dieser Firma machte Dieter M. gemeinsame Sache. Heimlich schaffte er das Quecksilber in die Baugruben. Behördenscheine wurden gefälscht. Die Komplizen teilten sich den Batzen Geld, den die Quecksilber-Firma für das Entsorgen bezahlt hatte.
Aber seine Geldgier wurde Markmann - keiner zweifelte daran, dass er gemeint war - zum Verhängnis. Er hatte das Quecksilber nicht in die nötigen Glasfässer verpackt, denn die kosten viel Geld. Er nahm Metalltonnen mit dünner Wand. Das Gift ätzte die Tonnen durch, drang in die Erde ein und später in die Gemüsebeete.
Viele Mieter erkrankten. Der Boden wurde untersucht, die Giftfässer gefunden. Einige Häuser waren so verseucht, dass sie abgerissen werden mussten. Die gesamte Erde wurde ausgehoben und weggeschafft. Die Polizei kam auf Markmanns Spur und überführte ihn. Er hatte noch ein anderes Gift, Strychnin, heimlich beiseite geschafft. Das tauchte aber nicht wieder auf, zumindest damals nicht. Markmann bekam eine hohe Strafe aufgebrummt. Danach war seine Baufirma Pleite und er zog nach Hamburg um.
Damit endete der Zeitungsartikel.
»Wer so eiskalt das Leben von hunderten von Menschen aufs Spiel setzt«, sagte der Fotograf, während er erneut seinen Papierstapel durchsah, »dem traue ich alles zu. Solchen Ganoven muss man das Handwerk legen.«
Er zog zwei weitere Kopien hervor.
»Markmann sorgte immer wieder für Schlagzeilen. Hier zum Beispiel ... im Freihafen hat er vor sieben Jahren Strychnin verkauft. Totsicher aus der alten Giftgeschichte in Hessen. Verlief aber im Sande, weil es nur ein Kilo war.«
»Nur ist gut«, sagte Kai Jensen. »Strychnin ist ein Teufelszeug. Früher nahm man das als Rattengift. Ein Kilo reicht, um zehntausend Menschen umzubringen. Das muss man sich mal vorstellen... eine ganze Kleinstadt.« »Vielleicht hilft Ihnen diese Spur weiter.« Dotter wandte sich zur Tür. »Ich muss leider los. Rufen Sie mich auf jeden Fall an, wenn's was Neues gibt?«
Die Zeitungsausschnitte ließ er da. Conny und Jule lasen alle Fotokopien und verglichen einige Artikel. Abgründe taten sich auf. Zuerst ging es nur um ihren Reiterhof, aber nun entwickelte sich daraus ein richtiger Kriminalfall.
»Wo gibt es denn dieses . . . Strychnin?«, fragte Conny, ohne aufzublicken.
Kai Jensen wusste ein bisschen darüber.
»Apotheken brauchen es und große Firmen, die Medikamente herstellen. Man kann sicher etwas abzweigen, wenn man kriminell genug ist.«
»Aber wer will denn zehntausend Menschen umbringen? Das tut doch keiner.«
»Nein, nein. Aber ein Verbrecher kann damit drohen. Und jemanden erpressen. Er mischt Gift in ein Glas Jogurt, ruft bei der Jogurt-Firma an und sagt: > Entweder ihr zahlt mir eine Million oder ich vergifte sämtliche Jogurts.< Wenn die Firma dann im Supermarkt nachforscht und einen vergifteten Jogurt findet, kriegt sie Angst und zahlt.«
»Meinen Sie, Markmann vergiftet Jogurts?«
»Glaube ich nicht. Dafür ist Markmann zu gerissen und vorsichtig. Aber wenn der noch Gift von früher hat, verkauft er es bestimmt. Der braucht dringend Geld, habt ihr ja vorhin gehört. Man kommt so schwer an Strychnin, dass Verbrecher viel dafür zahlen.«
Jule nahm Blaumann auf den Arm und strich ihm gedankenverloren über den Nacken.
»Ich habe gleich gesagt, Markmann hat den Bauern gezwungen das Testament zu schreiben. Bestimmt hat er ihm angedroht, dass er ihm sonst Gift ins Essen mischt.« Jensen seufzte.
»Selbst wenn du Recht hast... der Mann ist tot und niemand kann ihn fragen. Trotzdem - diese Zeitungsartikel mit Markmanns Straftaten schicke ich dem Nachlassgericht. Das wirft ein schlechtes Licht auf ihn.«
Die Geschichte mit dem vergrabenen Gift verbreitete sich im Stall schneller als Windpocken.
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