Reizende Gäste: Roman (German Edition)
das wirklich derselbe steife, langweilige Mann, den sie vor sechs Wochen kennengelernt hatte? Richard schien nun fest entschlossen, sich, wann immer es ging, ins Vergnügen zu stürzen. Nun war er es, der sie anrief und ausgefallene Vorschläge machte, der Witze riß, der Ausflüge und Unterhaltungen plante.
Zum Teil, vermutete sie, versuchte er damit den Mangel an körperlicher Intimität in ihrer Beziehung wettzumachen; einen Mangel, von dem er eindeutig annahm, daß er sie ebenso besorgte wie ihn. Ein, zwei Male hatte sie ihm erklärt, daß es ihr nichts ausmache – allerdings nicht zu nachdrücklich; nicht zu unschmeichelhaft. Und so hatte er, um ihrer beider Frustrationen zu mildern, damit begonnen, die Abende mit Ersatzbeschäftigungen zu füllen. Wenn er sie im Bett nicht unterhalten konnte, dann doch zumindest in Theatern, Cocktail Bars und Nachtclubs. Allmorgendlich rief er sie um zehn Uhr mit einem Plan für den Abend an. Zu ihrer Überraschung hatte Fleur begonnen, sich auf seine Anrufe zu freuen.
»Sheringham St. Martin!« rief sie unvermittelt aus, als sie draußen ein Straßenschild entdeckte.
»Ja, ein hübsches Dorf«, meinte Richard.
»Xavier Formby hat dort sein neues Restaurant eröffnet. Ich habe darüber gelesen. Das Pumpkin House. Offensichtlich kann man dort ganz ausgezeichnet essen. Da müssen wir unbedingt einmal hin!«
»Laß uns das doch gleich machen«, meinte Richard prompt, »und dort zu Abend essen. Wäre doch ideal! Ich rufe an und frage, ob sie noch einen Tisch frei haben.«
Umgehend langte er zu seinem Telefon hinunter und wählte die Nummer der Auskunft. Fleur sah ihn sinnend an. Ob sie ihn wohl darauf aufmerksam machen sollte, daß diese Gillian für sie wahrscheinlich schon ein Dinner vorbereitet hatte? Richard schien das nicht zu kümmern – tatsächlich schien er gegenüber Gillian fast blind zu sein. In manchen Familien lohnte es sich durchaus, die Weiblichkeit für sich zu gewinnen – aber wozu sollte das in diesem Falle gut sein? Da konnte sie genausogut auf Richards Vorschlag eingehen. Schließlich war er es, der das Geld hatte. Und wenn er zum Essen ausgehen wollte, warum sollte ausgerechnet sie ihn da zu etwas anderem überreden?
»Haben Sie?« sagte Richard gerade. »Gut, wir sind gleich da.« Fleur strahlte ihn an.
»Du bist so schlau.«
»Carpe diem«, sagte Richard. »Nütze den Tag.« Er lächelte sie an. »Weißt du, als Junge hat dieser Spruch für mich nie Sinn gemacht.«
»Aber jetzt macht er Sinn?«
»O ja, immer mehr.«
Um sieben Uhr, gerade als Antony mit dem Tischdecken fertig war, klingelte das Telefon. Gillian hob ab, und er trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu bewundern. Er hatte Vasen mit Lilien aufgestellt und weiße Spitzenservietten hingelegt. Kerzen warteten darauf, angezündet zu werden, und aus der Küche zog ein herrlicher Duft von gebratenem Lamm herüber. Zeit für einen Gin, dachte Antony. Er blickte auf seine Uhr. Bestimmt würde sein Vater bald eintreffen.
Plötzlich erschien Gillian an der Eßzimmertür, angetan mit dem blauen Kleid, das sie stets bei besonderen Anlässen trug. Sie sah brummig aus, was allerdings nicht unbedingt etwas zu bedeuten hatte.
»Das war dein Vater«, sagte sie. »Er kommt erst später.«
»Oh. Wieviel später denn?« Antony legte ein Messer gerade.
»Ungefähr um zehn, hat er gesagt. Er und diese Frau sind Essen gegangen.« Antony blickte überrascht hoch.
»Essen gegangen? Aber das können sie doch nicht machen!«
»Sie sind jetzt im Restaurant.«
»Aber du hast doch gekocht! Hast du ihm das gesagt? Hast du ihm gesagt, daß im Ofen gebratenes Lamm auf ihn wartet?« Gillian zuckte die Achseln. Sie hatte den resignierten, müden Ausdruck im Gesicht, den Antony haßte.
»Dein Vater kann Essen gehen, wann immer er will.«
»Du hättest etwas sagen sollen!« schrie Antony.
»Es ist nicht meine Sache, deinem Vater zu sagen, was er tun soll.«
»Aber wenn er das gewußt hätte, dann hätte er bestimmt …« Antony verstummte und blickte Gillian frustriert an. Warum zum Teufel hatte sie Dad nichts gesagt? Wenn er heimkommen und sehen würde, was er angerichtet hatte, würde er sich schrecklich fühlen.
»Tja, nun ist es zu spät. Er hat nicht gesagt, in welchem Restaurant sie sind.«
Sie wirkte fast erfreut, dachte Antony, als würde es ihr Befriedigung verschaffen, daß all ihre Bemühungen umsonst waren.
»Und wir essen das alles also einfach allein auf?« Er klang aggressiv, das wußte
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