Reizende Gäste: Roman (German Edition)
Zeit.«
»So, so, keine Zeit.« Johnnys Stimme war schneidend. »Na, vielleicht hat Zara ja Zeit.«
»Sie kann ihren Vater nicht kennenlernen. Sie … sie ist noch nicht soweit! Darauf muß sie erst vorbereitet werden!«
»Und das wirst du nun machen, ja?«
Stille trat ein.
»Okay, Fleur, wie du willst«, sagte Johnny schließlich. »Du sagst mir Bescheid, wenn Zara bereit ist, ihren Vater kennenzulernen, und ich halte ihn unterdessen noch hin. Das ist allerdings alles, was ich mache.«
»Johnny, du bist klasse …«
»Keine Beerdigungen mehr«, sagte Johnny. »Keine Einladungen. Und damit, daß du einfach bei uns hereingeschneit kommst und erwartest, daß unser Gästezimmer für dich frei ist, ist es auch vorbei.«
»Johnny!«
»Ich bin gar nicht zufrieden mit dir, Fleur.«
Während sie noch ungläubig den Hörer anstarrte, legte er auf, und sie stand da, wie mit kaltem Wasser übergossen. Auf einmal lief alles schief. Richard wollte ihr keine Gold Card geben; Johnny war sauer auf sie; Hal Winters war im Lande.
Hal Winters. Allein schon der Name brachte sie auf. Er hatte ihr im Leben schon genug Probleme bereitet; nun war er wieder da, tauchte aus heiterem Himmel auf, drohte alles zu ruinieren, brachte ihre Freunde gegen sie auf. Brachte Johnny gegen sie auf. Jäh wurde sie von Panik ergriffen. Wenn sie Johnny verlor, wer blieb ihr dann noch? Wer sonst war für sie da?
Noch nie zuvor war Fleur bewußt gewesen, wie sehr sie von Johnny und Felix abhängig war. Seit nunmehr zwanzig Jahren stand ihr Johnnys Wohnung zur Verfügung. Seit zwanzig Jahren hatte sie sich ihm anvertraut, mit ihm getratscht, mit ihm eingekauft. Sie hatte dem Ganzen keine große Bedeutung beigemessen. Hätte man sie gefragt, dann hätte sie ihre Freundschaft als flüchtig bezeichnet. Nun, da sie bedroht war, erschien sie Fleur plötzlich als viel mehr. Sie schloß die Augen. Bislang waren sich Johnny und sie allenfalls einmal über die Farbe eines Sofas in die Haare geraten. Zwar hatte er ihr auch in der Vergangenheit schon oft genug eine Standpauke gehalten, aber stets mit einem Augenzwinkern. Nie ernstlich, nie wie diesmal. Das hier nahm er ernst. Diesmal kannte er kein Pardon. Und das alles wegen eines Mannes names Hal Winters.
Wütend starrte Fleur auf ihr Spiegelbild. Sie sah wie eine kultivierte, elegante Frau aus. Sie könnte die Gemahlin eines Botschafters sein. Eines Prinzen. Und Hal Winters war … was? Ein Vertreter für Tabletten aus Scottsdale, Arizona. Ein billiger Tablettenvertreter, der sich vor vierzehn Jahren auf der Rückbank seines Chevy nervös mit ihr vereint hatte und sich dann sorgfältig wieder das Haar zurückgekämmt hatte, damit seine Mutter keinen Verdacht schöpfte. Der sie gebeten hatte, in der Öffentlichkeit von ihm Abstand zu halten und vor seiner Familie bitte nicht Gott zu lästern.
Wieder fragte sich Fleur bitter, wie sie nur so dumm hatte sein können. Wie sie seine brummige Schüchternheit für linkischen Charme hatte halten können. Wie sie ihm hatte erlauben können, in ihren Körper zu dringen; in ihr ein Stück seines zweitklassigen Selbst zu pflanzen. Sie hatte ihn einmal in ihr Leben gelassen; einmal und nie wieder. Einem Mann wie Hal Winters konnte nicht gestattet werden, einen Teil ihres Lebens für sich zu beanspruchen. Und wenn das bedeutete, daß sie Johnny verlor, nun, dann war daran leider nichts zu ändern.
Fleur reckte entschlossen das Kinn. Rasch nahm sie den Hut ab und ersetzte ihn durch einen anderen. Einen schwarzen Topfhut, einen schicken, ernsten Hut. Sie würde einen Gedenkgottesdienst finden, zu dem sie ihn nächste Woche tragen konnte. Johnny weigerte sich also, ihr passende Beerdigungen zuzuspielen. Na und? Sie brauchte Johnny nicht. Auch auf sich selbst gestellt konnte sie sehr gut überleben. Vor ihr, auf dem Toilettentisch, lagen drei Zeitungsausschnitte. Drei Gedenkgottesdienste in London. Drei Chancen für einen Neuanfang. Und dieses Mal würde sie nicht wochenlang herumsitzen und das Leben an sich vorbeiziehen lassen. Sie würde unverzüglich zuschlagen. Wenn Richard Favour sie nicht zu einer reichen Frau machte, dann eben ein anderer.
Sie biß sich auf die Lippen und griff eilig nach einem anderen Hut; einer anderen Zerstreuung. Dieser war aus schwarzer Seide und mit winzigen Veilchen übersät. Ein sehr hübscher Hut, dachte Fleur und bewunderte ihr Spiegelbild. Fast zu hübsch für eine Beerdigung; eher etwas für eine Hochzeit.
Als sie ihren Kopf bald zu
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