Religionen der Menschheit – Das EBook Weltreligionen sciebooks.de (German Edition)
vergöttlichten Laotse fügt e sich leicht in den chinesi schen Polytheismus ein und nahm , zur Unruhe der Herrschenden, bald politisch-messianische Züge an: Große Teile des Volkes erhoffen sich gütige Herrsch er im Zeichen des Tao – Religion wu rd e zum Potential für Opposition .
Entsprechend legen chinesische Herrscher bald wachsenden Wert darauf, von taoistischen Priestern und Klöstern beglaubigt und beraten zu werden – und die Kaiser der Tang-Dynastie (618 – 907) beriefen sich sogar darauf, dass Laotse ihr Vorfahr gewesen sei. Der Taoismus wurde nun vielerorts staatlich gefördert , dadurch „gezähmt“ und teilweise auch in Abgrenzung zu „fremden“ Religionen wie dem Buddhismus, Manichäismus oder Christentum eingesetzt. Auch strahlte er nach Japan aus und beeinflusste die dortigen, religiösen Traditionen, die zum heutigen Shintoismus führten.
Im chinesisch-polytheistischen Volksglauben bestand dabei wenig Schwierigkeit, etwa Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus zu verbinden. Doch Gelehrte und Priester sahen durchaus Widersprüche und standen in Konkurrenzen um die Zuneigung und Opfer sowohl der Bevölkerung wie auch der Herrschenden. So blieb die chinesische Religionsgeschichte immer wieder durch Phasen der Vermischung und Durchdringung, dann aber auch der Abgrenzung und sogar Bekämpfung der drei Tradit ionen gekennzeichnet.
Die taoistische Überlieferung, dass Laotse auch den Buddhismus gestiftet habe, steht genau in diesem Spannungsfeld: Einerseits konnte sie Buddhisten helfen, in China als „echt chinesische“ Religion Anerkennung zu finden. Andererseits konnte sie aber auch als Abwertung gedeutet werden, nach dem der Buddhismus eine durch Ausländer verdorben e Kopie des chinesisch-taoistischen Ideals darstellte.
Auch heute noch besteht diese innerchinesische Dynamik durchaus fort: Die Kommunisten Maos wandten sich in der Kulturrevolution zunächst gleichermaßen gegen alle Religionen, verfolgten Priester und Gläubige, zerstörten Tempel und Schriften aller Traditionen. Doch später erfolgte eine teilweise Rehabilitierung des Buddhismus als „Hochreligion“, die in staatlich geförderten Institutionen wieder praktiziert werden durfte. Der Konfuzianismus wurde seit der Jahrtausendwende von der KP als Weg entdeckt, innere „Harmonie“ (d.h. hierarchische Folgsamkeit) zu fördern und ein positives Chinabild in der Welt zu vermitteln, was zur teilweisen Rehabilitierung der Tradition und der Eröffnung verschiedenster Konfuzius-Institutionen führte. Aber erst in jüngster Zeit wu rden auch taoistische Traditionen wieder vorsichtig zugelassen, die einerseits den chinesischen Nationalcharakter unterstreichen (nicht zuletzt im Hinblick auf Taiwan), aber durchaus auch den Aufstieg buddhistischer, christlicher und islamischer Bewegungen ausbalancieren sollen. Das brutale Vorgehen der chinesischen Regierung gegen die taoistisch-buddhistische Falun Gong-Bewegung unterstreicht die religiöse Dynamik wie auch religionspolitische Nervosität in der Volksrepublik.
Gerade die lange Verfolgung und Verhöhnung des Taoismus durch die chinesischen Kommunisten trug aber wiederum zu seiner Popularität in Taiwan und in chinesischen Gemeinden auf anderen Kontinenten bei. Hinzu kam eine starke Faszination für den Taoismus im westlichen Bildungsbürgertum, das von christlichen und jüdischen Theologen über Philosophen, Politiker, Literaten und Vordenker der Ökologiebewegung bis hin zu Naturwissenschaftlern reichte. Die japanische Literatur- und Unterhaltungskultur nahm und nimmt bis in die global populären Mangas hinein immer wieder schintoistisch-taoistische Vorstellungen und Bilder vor allem im Zusammenhang mit Weisheits- und Umweltthemen auf. Nichtchinesen nehmen zwar selten den Taoismus als spezifische religiöse Lehre an, schätzen ihn jedoch häufig als philosophische oder auch spirituell-religiöse Ergänzung.
Der religiöse Taoismus ist damit stärker innerchinesische Prieste r- als Gemeindetradition geblieb en – und es ist also zweifelhaft, ob er sich gegenüber der dynamischen Ausbreitung anderer Weltreligionen auf Dauer halten kann. Als philosophisch-spirituelle Tradition mit allerlei rituellen Ausformungen wird er aber sicher auch im 21. Jahrhundert eine Rolle spielen.
Und es könnte auch doch wieder alles ganz anders kommen – etwa durch die Entstehung neutaoistischer Bewegungen oder politischer Umwälzungen in China. Die Religionsgeschichte lehrt: Taoistisches Nichthandeln
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