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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Maler, der auf eine harte Geduldsprobe gestellt wurde. Aber gleichzeitig war ich auch zornig, weil ich in meiner Lehre keine Fortschritte machte. Dabei hätte ich am liebsten von morgens bis abends nur gemalt und mich an immer neuen Aufgaben versucht.
    Einen kurzen Moment dachte ich an den Vorschlag, den mir der Meister einmal gemacht hatte, ich solle mir einen anderen Lehrer suchen. Doch sofort schämte ich mich für einen solchen Gedanken. Zum einen wollte ich den Meister nicht im Stich lassen, denn er hatte außer mir niemanden, der ihm zur Hand gehen konnte. Zum anderen hätte mich kein anderer seine einzigartige Kunst lehren können. Also blieb mir nichts, als auf eine baldige Schicksalswende zu hoffen.

    Sie kam, doch anders als erhofft. Ich erhielt einen Brief von meinem Vater. Es war das erste Mal, dass ich in Amsterdam Post aus Muiderkamp bekam. Ich wusste sofort, dass es sich um etwas Wichtiges handeln musste, denn mein Vater war niemand, der ohne triftigen Grund zum Federkiel griff.
    In seiner einfachen, knappen Art teilte er mir mit, dass die Geschäfte im Moment schlecht liefen und er im Moment kein Geld für ein zweites Lehrjahr aufbringen könne. Deswegen solle ich im Herbst wieder nach Muiderkamp zurückkehren. Ich könne bei meinem Onkel in der Schneiderei weiterarbeiten, der in seiner hochherzigen Art und aus Erbarmen mit der Familie seiner Schwester, bereit sei, mich wieder bei sich aufzunehmen.
    Mir war jämmerlich zumute. Es war mein größter Wunsch, ein berühmter Maler zu werden. Doch dazu war eine sorgfältige Ausbildung vonnöten. Den Meister zu bitten, mir das Geld zu stunden, um es ihm in einigen Jahren mit Zinsen zurückzahlen, war undenkbar. Allzu dringend benötigte er selbst jeden Stuiver. Vorläufig, so entschied ich, wollte ich ihm also lieber nichts von dem Brief erzählen. Um das erforderliche Geld aufzutreiben, blieb mir noch eine Frist von fünf Monaten. Vielleicht würde bis dahin ein Wunder geschehen.
    An diesem Tag hatte Rebekka als Nachtmahl Weiße-Bohnen-Suppe mit Räucherspeck gekocht, mein Leibgericht. Trotzdem bekam ich kaum einen Bissen hinunter. Wie gewöhnlich berichtete die alte Magd ausführlich über die Gerüchte und Neuigkeiten des Tages, die sie auf dem Markt aufgeschnappt hatte.
    „Habt ihr schon gehört? Der alte Polizeihauptmann ist abgesetzt worden. Es gibt auch schon einen neuen. Albert Rip heißt er, und er hat erklärt, dass er Amsterdam zur sichersten Stadt in Europa machen will. Die Gemüsefrau sagt, dass man ihn überall nur ‘den Bluthund’ nennt. Er will demnächst auch mehr Leute für die Patrouillen einstellen. Und nachts sollen alle Wachen scharfe Hunde mit sich führen.“
    „Scheint ein vernünftiger Mann zu sein. In den Straßen treibt sich oft eine Menge zwielichtiger Gestalten herum, wenn ich spät am Abend noch unterwegs bin. Ich persönlich halte es mit dem Sprichwort: Barmherzigkeit gegen die Wölfe ist Unrecht gegen die Schafe“, kommentierte der Meister streng und schlürfte laut und vernehmlich seine Suppe.
    Ich konnte ihm nur Recht geben. Wer gegen die Gesetze des Herrn verstößt, muss seine gerechte Strafe erhalten und darf ihr nicht entkommen. Mir kam eine Begebenheit von der letzten Frühjahrskirmes in unserem Dorf in den Sinn. Damals erlitt eine Frau einen Anfall von Raserei. Fortwährend rollte sie mit den Augen, fauchte wie ein Tier und spuckte um sich. Die Wahnsinnige trug Handfesseln, an denen ein Strick festgeknotet war. Dessen Enden wiederum waren an ihren Fußknöcheln festgebunden.
    Ein Mann in einem ausgefransten Umhang trieb die Irre unter wüsten Schimpfen und Schlägen über den Marktplatz, weshalb sie nur noch heftiger tobte. Während die Dorfbewohner auf die absonderliche Szene starrten, schlich sich ein Junge durch die Menschenmasse und schnitt unbemerkt einem der Gaffer den prall gefüllten Geldbeutel vom Gürtel. Als ich zu Hilfe eilen wollte, waren die drei plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
    Wären die Kontrollen strenger, würden solche Übeltäter es bestimmt nicht mehr wagen, sich als Notleidende zu tarnen und ihre Mitmenschen zu bestehlen. Und es würde auch keine Nachtheuler mehr geben, wie sie sich in den Städten herumtrieben. Diese Leute ließen sich in der Dunkelheit mit ihren Kindern vor den Hauseingängen nieder und wehklagten die ganze Nacht, bis irgendeiner sich erbarmte und ihnen die Tür öffnete. So manche Nacht hatte ich wegen ihres Gewinsels in meiner Kammer kaum Schlaf finden

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