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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Wir konnten dich gerade noch rechtzeitig aus dem Saal schaffen.“
    Ich fasste an meine linke Schläfe, an der ich eine dicke Beule fühlte.
    „Danke … Wo ist der Meister?“
    Der Pockennarbige tippte sich mit dem Finger an die Stirn und schüttelte mitleidig den Kopf.
    „Da drin natürlich. Wo denn sonst? Oder hast du gedacht, dein Meister würde aus Sorge um seinen Schüler den Vortrag des Professors verpassen wollen?“
    Ich nahm das Glas mit dem Schnaps und trank es in einem Zug leer. Mein Schlund brannte wie Feuer. Vorsichtig lehnte ich mich gegen die Wand und schloss die Augen. In meinem Inneren sah ich alles wieder ganz klar vor mir. Ich kannte den Toten, der unter dem Tuch gelegen hatte. Es war der junge Mann, den man am Vortag auf dem Dam gehängt hatte. Der hinkende Bettler, dem ich am Tag meiner Ankunft ein Stück trockenes Brot geschenkt hatte.

    Kaum waren wir wieder zurück an der Rozengracht, begab sich der Meister ins Atelier. Ich war ihm dankbar, dass er mir keine Fragen gestellt und meine Ohnmacht auch Cornelia und Rebekka gegenüber mit keinem Wort erwähnt hatte. Mit geübten Handgriffen mischte er ein bräunliches Ocker und trug die Anatomie-Szene, so, wie er sie sich in der Zwischenzeit überlegt hatte, direkt mit dem Pinsel auf die Leinwand auf. Wenige Minuten nur, dann waren alle Personen in Umrissen zu erkennen. Selbst in diesem noch unfertigen Zustand kamen sie mir so wirklich vor.

    Kurz vor Ostern sprossen die ersten Krokusse und Narzissen aus dem noch harten Boden. Cornelia wollte einen Ausflug zum Hafen zu machen und bedrängte ihren Vater mitzukommen. Das größte Schiff der Verenigde Oostindische Compagnie sollte heute auslaufen. Es würde nach vielen Monaten wieder nach Holland zurückkehren, voll beladen mit Porzellan, Tee und Gewürzen. Zahlreiche Schaulustige wurden zu dem Spektakel erwartet.
    Doch dem Meister war dieser weite Spaziergang zu beschwerlich. Deshalb schlug er vor, dass wir uns ohne ihn auf den Weg machen sollten. Cornelia machte ein enttäuschtes Gesicht und zog die Nase kraus. Ich glaube, sie hatte sich wohl schon darauf gefreut, alleine mit ihrem Vater unterwegs zu sein und ihn einmal ganz für sich zu haben. Zu Hause, an der Rozengracht, kreisten die Gedanken des Meisters nun fast ausschließlich um seine Arbeit.
    Die ersten milden Sonnenstrahlen hatten die Menschen aus den Häusern getrieben. Händler, Ratsleute und Frauen mit ihren Einkaufskörben schlenderten gemächlich durch die Stadt und freuten sich an den ersten Zeichen des nahenden Frühlings. Die Fenster der Wirtshäuser standen offen, von drinnen hörte man Singen, Lachen und Gläserklirren.
    Jedes Mal, wenn ich durch Amsterdam ging, fielen mir Dinge auf, die neuartig und fremd für mich waren. Wie diese seltsamen Lastschlitten, die in letzter Zeit in immer größerer Anzahl die Straßen verstopften.
    Gerade wollten wir die hohe, steinerne Brücke an der Heerengracht überqueren, als ein solches Gespann neben uns auftauchte. Mit barschen Worten und ohne anzuhalten wies der Kutscher die Fußgänger an, den Weg frei zu machen.

    Notgedrungen mussten alle stehen bleiben und warten, da der Übergang sonst zu eng gewesen wäre.
    „Scher dich zum Teufel!“ Ein Händler setzte fluchend seinen schwer beladenen Handkarren mit Kohlköpfen ab, doch der Kutscher kümmerte sich nicht um das Geschimpfe, sondern rief dem unfreiwillig Wartenden ein barsches „Verpiss dich!“ zu.
    Unbeirrt nahm er Zügel und Peitsche in die eine Hand und hielt mit der anderen die Ladung im Gleichgewicht. Mit lauten Rufen und Schnalzen dirigierte er das Pferd. Als es die Brücke hinauf ging, schleuderte er einen öligen Lappen vor die Kufen, um das Gleiten zu erleichtern. Bei der Abfahrt warf er Strohbündel auf die Straße und bremste auf diese Weise sein Gefährt.
    Unmittelbar am Hafen lagen die Werften. Tausende von Fichten- und Eichenstämmen stapelten sich in meterhohen Gestellen. Hier wurden Schiffe verschiedenster Art gefertigt. Ihre hölzernen, noch unfertigen Rümpfe erinnerten an Skelette von Riesenwalen. Unzählige Arbeiter wuselten und schafften hier wie Ameisen in ihrem Bau. Das rhythmische Geräusch von Äxten und Sägen, die sich durch Holz fraßen, hallte durch das ganze Viertel. Teergeruch vom Zuschweißen der Planken hing in der Luft.
    Auf dem Ij herrschte lebhafter Schiffsverkehr. Große Handelsschiffe lagen am Kai, deren Masten eindrucksvoll in den Himmel ragten. Ihre Fracht wurde auf kleinere Lastkähne

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