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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Seit Tagen schon sammelte ich trockene Brotkrusten und gab Acht, dass Rebekka nichts davon bemerkte. Sie hätte wegen einer solchen Verschwendung nur laut gezetert, mir das Brot abgenommen und stattdessen für den nächsten Eintopf verwendet. Cornelia schmunzelte, als ich ihr meine prall gefüllte Tasche zeigte.
    „Sehr wagemutig von dir, Samuel. Dann gehen wir also am nächsten Sonntag. Ich will sehen, ob ich bis dahin noch ein paar vertrocknete Kekse oder etwas Zwieback beiseite schaffen kann.„

    Als der Pfarrer mit seiner Sonntagspredigt fertig war, gingen wir von der Westerkerk hinüber zum Stadhuis. An einem Tag, an dem Geschäfte und Handel ruhten und die meisten Menschen sich von den Anstrengungen der Woche erholten, wimmelte es hier von Spaziergängern und Besuchern von auswärts. Das Sprachengewirr konnte beim Turmbau zu Babel nicht größer gewesen sein.
    Die Stimmen der Menschen vermischten sich mit dem Wiehern der Pferde. Fuhrwerke überquerten den Dam in allen Richtungen. Ich bewunderte die Kutschen der wohlhabenden Bürger, die in lebhaften Farben glänzten und mit vergoldeten Ornamenten verziert waren. Ließ ein Kutscher seine Herrschaften ein- oder aussteigen, so konnte man durch die offen stehende Tür die kostbare Bezüge im Inneren sehen. Wer kein eigenes Fahrzeug besaß, konnte eins mieten. Das Angebot war reichlich, denn rund um den Platz wohnten eine Menge Fuhrleute.
    Ich beobachtete, wie ein Orientale in einem gelb und grün gestreiften Kaftan und mit weißem Turban sich einer Tränke näherte und eine Glocke bediente. Sofort stürzten mehrere Kutscher herbei und begannen zu würfeln. Wer die höchste Augenzahl erreichen würde, sollte die Fahrt machen.
    Doch zwei der Kutscher gerieten in Streit, jeder bezichtigte den anderen des Falschspiels. Der jüngere von beiden packte seinen Gegner an den Haaren und riss ihn zu Boden. Während die übrigen die beiden Kampfhähne voneinander trennten, stieg der Fremde auf der anderen Seite des Platzes in einen Wagen und fuhr davon.
    Cornelia und ich durchquerten die Stadt Richtung Südosten bis zu den Amstelschleusen. Während Amsterdam im Inneren aus einer unüberschaubaren Zahl von Häusern, Kanälen und engen Straßen bestand, änderte sich das Bild gleich hinter der Stadtmauer, da, wo der Amsteldijk begann. Ich hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu kommen, und diese Welt war mir wesentlich vertrauter, denn sie erinnerte mich an die Landschaft meiner Heimat.
    Hier, am Ufer der Amstel, herrschten die Weite und das Grün der Natur vor. Platanen und Ulmen säumten den Fluss und spendeten Schatten, dazwischen luden Bänke zum Verweilen ein. Angler harrten geduldig aus, bis sie so viele Fische in ihrem Eimer hatten, dass es für ein reichliches Mahl für die ganze Familie reichte.
    Zahlreiche Spaziergänger hatten sich auf den Weg gemacht. Diejenigen, die man während der Woche geschäftig zur Börse oder ins Stadhuis eilen sah, schlenderten in ihrem Sonntagsstaat gemächlich am Ufer entlang, blieben hin und wieder für eine kurze Plauderei stehen und tupften sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Frauen wedelten sich mit Fächern aus bunten Federn Luft zu.
    Während die adeligen und hochgestellten Bürger allesamt in Schwarz daherkamen, trugen die gewöhnlichen Leute farbige Kleider. Die Frauen in ihren roten, blauen, grünen und gelben Miedern und Röcken sahen aus wie Sommerblumen. Junge Männer in grauen, braunen oder grünen Anzügen trugen die Nasen hoch, zwirbelten an ihren Bärten und pfiffen unbekümmert jungen Mädchen hinterher, die kichernd die Köpfe zusammenstecken.
    Es war heiß und fast windstill. Familien saßen im Gras, aßen und tranken, was sie von zu Hause mitgebracht hatten. Immer wieder wurde das Lachen und Rufen der Kinder von Hundegebell übertönt. Die Tiere genossen es offensichtlich, im Freien herumzutollen. Ein paar Jungen falteten Schiffe aus altem Zeitungspapier und ließen sie flussabwärts gleiten. Andere schwammen nackt im Fluss, streckten ihre bleichen Hinterteile laut johlend den Passanten entgegen oder bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Die Antwort vom Ufer erfolgte in Form von lautem Schimpfen und geballten Fäusten.
    „Sieh mal, Samuel, sind die nicht niedlich?“ Cornelia näherte sich vorsichtig der Uferböschung. Sie hatte eine Schwanenfamilie entdeckt, die mit ihren sieben Kindern ein mittägliches Sonnenbad nahm. Als die Tiere Cornelia bemerkten, nahmen sie schnell Reißaus und flüchteten sich aufs

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