Remember
Wachmannes stand.
Es existierte also noch immer eine Welt hinter der Mauer und hinter dem Nebel, dachte Annabel. Leider sah es für sie so aus, als gehörten sie nicht länger dazu.
Nachdem dieser Schreck überwunden war, verschwendete sie kaum einen Gedanken daran, wer das Radio eingeschaltet hatte. Dafür war einfach schon zu viel passiert. Und auch Michael sah sie nur kurz an und hob ratlos die Schultern. Doch als sie es ausmachen wollte, weil sie die Nachrichten über die Mondmission nicht mehr ertrug, hielt er sie davon ab.
»Warte noch. Wir müssen uns das anhören. Das Radio ist doch sicher nicht zufällig angegangen.«
Annabel lehnte sich gegenüber vom Kabuff an die Wand, schaute zu Boden und lauschte nur widerwillig der aufdringlichen Stimme des Sprechers.
»Ja, meine lieben Hörer und Hörerinnen, wie wir soeben erfahren haben, verläuft die Rückkehr der Astronauten wie geplant. Drücken wir also gemeinsam die Daumen, dass die Besatzung von Apollo 11 morgen am frühen Abend mit der Kommandokapsel wie vorgesehen im Pazifischen Ozean wassern wird. Morgen, am Donnerstag, dem vierundzwanzigsten Juli 1969, wird die ganze Welt die Rückkehr von drei mutigen Männern feiern, die…«
Michael schaltete das Radio aus. »Morgen«, sagte er leise. »Es wird schon morgen geschehen.«
Annabel schloss die Augen und ließ sich langsam an der Wand auf den Boden sacken. Das Ultimatum.
Sie hatten noch kein Wort über das Spektakel am Himmel verloren. Schon gar nicht über die Konsequenzen, die es für sie bedeutete. Die Suche nach Eric war wichtiger gewesen.
Sie holte schweigend die Botschaft aus dem Steinmond aus ihrer Tasche und las erneut den Text. Dann gab sie Michael das Stück Papier.
»Wenn das Ende naht, ist der Schlüssel nur ein Spiel. Noch ein Tag«, las er, setzte sich neben Annabel auf den Boden und zerknüllte das Papier zwischen seinen Fingern.
Nicht mehr drei Tage. Nur noch ein Tag! Die Botschaft hatte sich den Ereignissen angepasst. Und das bedeutete, ihnen blieben kaum mehr als vierundzwanzig Stunden.
Michael stand auf und zog auch Annabel auf die Beine. Dann gingen sie gemeinsam hinüber in den Aufenthaltsraum. Annabel fühlte sich so erschöpft, als hätte sie drei Tage lang nicht mehr geschlafen. Wie spät war es eigentlich? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.
Sie ließen sich jeder auf einen der schäbigen Stühle fallen und starrten vor sich hin.
Annabel brauchte Michael nur anzusehen, um zu wissen, dass auch er an Eric dachte und an das, was mit ihm geschehen sein mochte. Der Gedanke, dass sie ihn hier in diesem Raum geküsst hatte, lastete wie ein zentnerschwerer Stein auf ihr. Es war ein Abschiedskuss gewesen. Aber warum hatten sie nur ihn geholt? War es Teil ihres perversen Plans, dass sie sich einen nach dem anderen schnappten, damit die Übriggebliebenen noch genug Zeit hatten, um ihre Freunde zu trauern, zu leiden und sich zu Tode zu ängstigen?
Irgendwann wanderte ihr Blick hoch zu den Buntglasfenstern, hin zu der Stelle, die ihr vor ein paar Tagen so einen Schreck eingejagt hatte. Sie erkannte sofort, dass sich etwas verändert hatte, stand auf und stellte sich vor das Fenster. »Michael, sieh dir das an!«
Michael kam etwas schwerfällig auf die Beine und trottete zur ihr hinüber.
»Siehst du das?«, fragte sie und deutete auf die Stelle, wo eigentlich der See und das Haus aus Willowsend hätten sein sollen. Doch stattdessen zeigte ihnen das Fenster nun die Anstalt und den Park sowie die erschreckend echt aussehenden Abbilder von ihr selbst, Michael und George im Zentrum des Bildes.
»Warum ist George noch auf dem Fenster und Eric nicht?«, flüsterte Annabel.
»Wo Licht und Farben zu Geschichten werden«, sagte Michael. Sein Blick ging ins Leere.
»Das ist schön. Von wem ist das?«
»Ich weiß nicht.« Michaels Stimme klang auf einmal ganz heiser. Und als Annabel ihn ansah, strich er ihr unerwartet und zärtlich über die Wange. »Ich weiß es nicht.«
Sechster Teil des Interviews
FINNAGAN: »Nicholas, Sie erwähnten, wie schwer es gewesen war, einige der Wunschkandidaten für Ihr wissenschaftliches Team zu rekrutieren. Gab es ähnliche Probleme, als es darum ging, Investoren für Ihr Projekt zu gewinnen?«
HILL: »Leicht war es nicht. Wir sind durch die ganze Welt gereist, auf der Suche nach seriösen finanzkräftigen Investoren. Wir stellten ihnen unser Projekt vor und demonstrierten, wozu wir damals schon in der Lage waren. Und wir erklärten ihnen, was wir
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