Remember
gleich mal zum Wachmann und bestell uns ein Taxi…« Er rollte sichtbar mit den Augen. »Leute, es ist ja nicht gerade so, als würde man uns den Schlüssel in die Hand drücken.«
Michael sah Eric an und zum ersten Mal seit Langem lächelte er wieder. »Hey! Schneewittchen hat gestern nicht umsonst in den vergifteten Apfel gebissen.«
»Schneewittchen?«, fragte Annabel, erhielt von Michael aber keine Antwort. Und Eric grinste nur.
»Als ich mich gestern in der Klinik umgesehen habe, da bin ich über eine Art Geheimtreppe in den Keller gelangt. Das konnte ich aber nur, weil in der Zugangstür ein Schlüsselbund steckte. Inzwischen bin ich sicher, dass er dem Hausmeister gehörte.«
»Der Schlüssel auf dem Bild!«
»Genau, Anna. Aber das ist noch nicht alles. Die Treppe verbindet alle Stockwerke und auf jeder Etage gibt es einen Zugang. Hier bei uns befindet er sich zwischen der Sicherheitstür und dem Kabuff des Wachmannes. Sie ist nur noch niemandem von uns aufgefallen, weil sie so klein und schmal ist und man nur ein paar dünne Fugen in der Wand und das Schlüsselloch sieht. Ich bin sicher, dass der Schlüssel, der im Erdgeschoss steckte, auch alle anderen Zugangstüren öffnet. Und ich weiß auch noch, wie er ausgesehen hat.«
»Soll das heißen, wer immer hinter der Sache mit den Fenstern steckt, will, dass wir von hier verschwinden? Und der Hausmeister soll uns dabei helfen?« Annabel dachte daran, wie Mr Shade sie am ersten Tag vor dem zudringlichen Pfleger beschützt hatte. Aber reichte das schon aus, um ihm zu vertrauen?
George schüttelte den Kopf. »Warum sperrt man uns hier erst ein, wenn man uns eigentlich ganz woanders haben will?«
Annabel überlegte. Und wie aus heiterem Himmel nistete sich ein Gedanke in ihrem Kopf ein, der so unglaublich war wie die Existenz dieses Buntglasfensters selbst. »Ich weiß, das hört sich jetzt total verrückt an, aber… was wäre, wenn die, die uns hier eingesperrt haben, und die, die uns hier raushaben wollen, nicht dieselben wären?«
Eric stöhnte, schloss die Augen und legte für ein paar Sekunden den Kopf auf den Tisch.
»Mir hat schon das eine die gereicht«, murmelte George.
»Wenn da was dran ist«, sagte Michael, »haben wir trotzdem ein Problem. Ich meine, wenn jemand will, dass wir von hier fliehen, und uns gleichzeitig ein Ziel nennt, dann weiß derjenige doch, wo man uns später finden kann.«
»Klar. Aber das gleiche Problem hätten wir auch, wenn es nur eine Partei gäbe und April Fay da mit drinsteckt.« Annabel schaute in die Runde. Eric und George wirkten immer noch sehr skeptisch. Doch zum Glück hatte sie Michael bereits auf ihrer Seite. »Okay, Leute. Ich finde, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Am besten noch heute Nacht.«
Michael nickte. »Ich bin dabei. Aber wir sollten uns die Sache gut überlegen. Ich will nicht wissen, was passiert, wenn etwas schiefläuft. Wir brauchen einen Plan.«
»Ja«, sagte Annabel. »Und wie es aussieht, bist du der Schlüssel dazu.«
16
Annabel saß auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Sie hatte die Neonbeleuchtung eingeschaltet und die Lampe tat das, was sie von ihr erwartete, sie flackerte. Als sie ein metallisches Klappern vom Flur hörte, sprang sie mit klopfendem Herzen auf und lief zur Tür. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass ihr schauspielerisches Talent ausreichen würde, um die Sache durchzuziehen. Showtime.
»Hallo, Mr Shade! Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«
Mr Shade lächelte. »Hallo, Annabel! Mach ich doch gern. Ich denke mal, dass wir dein Lampenproblem im Handumdrehen gelöst haben.«
Annabel hielt ihm die Tür auf, damit er mit der langen Leiter und dem Werkzeugkasten nirgendwo anstieß. Eine neue Lampe steckte bereits unter seinem Gürtel. Sie ließ die Tür weit offen und warf einen unauffälligen Blick auf den Flur.
»Ich wette, da hat Schwester Frankenstein nicht schlecht gestaunt, was?«, fragte der Hausmeister fröhlich, während er die Leiter aufstellte. »Ach, schalt doch bitte die Lampe aus, ja? Will da oben ja kein’ gewischt kriegen.«
»Das ist noch untertrieben«, sagte Annabel ehrlich amüsiert und betätigte den Lichtschalter. Das Flackern hörte endlich auf. »Ich glaube fast, sie wittert eine Verschwörung.« Dann stellte sie sich neben die Leiter und bot mit einer Geste an, Mr Shade die neue Lampe abzunehmen. Er bedankte sich für ihre Hilfe und zwinkerte ihr zu.
Sie dachte daran, wie schwierig es gewesen war,
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