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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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wartete, desto nervöser wurde sie.
    Ihre Hand zitterte, als sie die Münzen einwarf und die Nummer wählte. Es klingelte dreimal. Jemand nahm ab. Eine Frauenstimme meldete sich: »Ja, hallo?«
    Das ist nicht meine Mutter.
    Sie hätte die Stimme ihrer Mutter ebenso wenig beschreiben können wie ihr Aussehen. Doch sie wusste nach nur zwei kleinen Worten, dass die Frau am anderen Ende nicht ihre Mutter war. Sie konnte es fühlen. Genauso, wie sie es in der Anstalt gefühlt hatte.
    »Wer seid ihr?«, stieß sie hervor. »Was hat das alles zu bedeuten? Warum tut ihr uns das an?«
    Schweigen auf der anderen Seite. Nur ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen war zu hören. Dann ein leises Kichern. Und schließlich eine Reaktion. »Euch bleiben noch sechs Tage. Sechs Tage.« Die Stimme besaß einen drohenden Unterton.
    »Wieso sechs Tage? Was ist in sechs Tagen?«
    Keine Antwort. Nur wieder das Kichern. Kurz darauf ein Knacken. Die Frau hatte aufgelegt.
    Annabel schrie ins Telefon und schlug den Hörer gegen den Apparat. Sie fühlte sich hilflos, wusste nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Einige Passanten schauten sie misstrauisch an. Sie holte tief Luft, legte den Hörer zurück auf die Gabel und verließ die Telefonzelle.
    Ein paar Schritte weiter lehnte sie sich mit dem Rücken gegen eine Schaufensterscheibe. Sie hatte mit Tränen gerechnet, doch ihr war nur kotzübel und schwindelig.
    Als ein junges Paar eng umschlungen an ihr vorbeiging, fühlte Annabel Eifersucht in sich aufsteigen. Das Glück der beiden leuchtete für eine Sekunde vor ihr auf wie ein Blitz in der Nacht. Sie wünschte, sie könnte ihnen ein kleines Stück von ihrem Glück rauben, damit sie es an einem Stock befestigen und wie eine kleine leuchtende Kinderlaterne vor sich hertragen konnte.
    Es hört nicht auf, dachte sie mit Tränen in den Augen und lief davon.
    23
    Michael war froh, als er endlich den kleinen Richfield Park am Ende der Sheen Road sah. Noch mehr freute er sich aber über den Anblick von Eric, der ihm schon von Weitem zuwinkte. Seine Stimmung, die seit Verlassen des Schulgeländes ziemlich am Boden gewesen war, hob sich schlagartig.
    Doch wo war Annabel?
    »Ich wusste, dass du es schaffst«, sagte er, als er Eric gegenüberstand. »Ich wusste es einfach.«
    »Versteh das jetzt bitte nicht falsch«, sagte Eric, und bevor Michael reagieren konnte, umarmte er ihn schnell und heftig. »Aber ich bin wirklich so froh, dich zu sehen.«
    »Geht mir genauso. Wo ist George?«
    Eric gab ihm eine Kurzversion der letzten Nacht und erzählte ihm, dass George am Morgen einfach verschwunden war. Im Gegenzug erzählte Michael ihm, was er und Annabel in den letzten Stunden erlebt und warum sie sich vorhin getrennt hatten.
    «Sieht aus, als hätten wir unsere Partner verärgert, was Kumpel? – Aber keine Sorge. George kriegt sich schon wieder ein und Anna… hey, du weißt doch, wie stolz sie sein kann. Gib ihr etwas Zeit.«
    Michael musste grinsen. Es tat so gut, Eric wieder um sich zu haben. Seine lockere Art konnte er jetzt wirklich brauchen. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen und kam sich inzwischen wirklich albern vor, weil er Annabel gegenüber so ein Theater gemacht hatte. Wenn er sie einfach mitgenommen hätte, müsste er sich jetzt keine Sorgen um sie machen.
    »Und? Hattest du Glück bei deinen Rugby-Kumpels?«, fragte Eric.
    Michael schüttelte knapp den Kopf. »Nein, das war eine absolute Pleite. Das Training ist ausgefallen, keine Ahnung, warum.« Es war wirklich frustrierend. Immerhin hatte er dafür einen Streit mit Annabel riskiert. Und nun war er auch noch mit leeren Händen zurückgekommen.
    »Keine Sorge, uns wird wegen der Kohle schon etwas einfallen«, sagte Eric heiter. »Zur Not gebe ich vor dem Bahnhof eine kleine Tanzeinlage und lass den Klingelbeutel rumgehen.«
    Michael warf Eric einen amüsierten Blick zu. Aber es schien ihm offensichtlich ernst damit zu sein.
    »Soll das heißen, du tanzt?«
    »Ich nehme Ballettunterricht, seit ich acht bin. Findest du das peinlich?« Eric sah Michael beinahe ängstlich an.
    »Peinlich? Nein«, sagte Michael. »Ballett ist ein harter Sport, soviel ich weiß. Als Balletttänzer muss man wirklich fit sein. Das erklärt wohl auch dein kleines Kunststück unter Parkers Schreibtisch, was?«
    Eric zuckte wie beiläufig mit den Schultern und grinste wieder. Er wirkte erleichtert.
    »Hey, da kommt sie!« Eric winkte aufgeregt die Straße runter und Michael drehte sich auf dem Absatz

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