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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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sie aus einer Bäckerei besorgt hatten, schlug sie ihm blitzschnell auf die Finger. Erschrocken zog er seine Hand zurück.
    Eric musste dermaßen lachen, dass er einen Teil seines Mundinhaltes ausprustete und auf Michaels Hose verteilte.
    »Geschlagen und angespuckt. Schöne Freunde.«
    Annabel grinste und hielt Michael den Kuchen entgegen.
    »Bist wohl doch noch sauer auf mich, was?«, fragte er und griff zögerlich nach dem Kuchen. »Es tut mir leid, dass ich dich einfach so hab stehen lassen.«
    »Das will ich auch hoffen«, sagte Annabel und lächelte ihn an. Dann schwiegen sie für eine Weile.
    Seit sie sich vor drei Tagen in der Anstalt begegnet waren, hatte es immer nur zermürbende Fragen, aber keine Antworten gegeben. Das Wissen, nicht verrückt zu sein, löste nicht ihr Problem. Doch sie konnten eine der wichtigsten Fragen von ihrer Liste streichen. Und vielleicht, mit ein bisschen Glück, würde es ihnen gelingen, noch weitere Antworten zu erhalten.
    Dass die Stimme am Telefon von einer Frist von sechs Tagen gesprochen hatte, verdrängten sie in diesem Moment.
    24
    King’s Cross Station. Annabel hatte das Gefühl, schon ewig nicht mehr hier gewesen zu sein. In der großen Halle herrschte hektischer Trubel. Der laute Mischmasch aus Schritten, Stimmen, Lautsprecherdurchsagen und Zuggeräuschen machte Annabel so nervös, dass sie sich schon nach wenigen Minuten nach der kleinstädtischen Ruhe von Richmond zurücksehnte. Sie hatten einen Vorortzug hierher genommen, der Anschlusszug nach Willowsend ging erst in einer halben Stunde. Um die Zeit zu überbrücken, suchten sie nach einem Zeitungskiosk, es gab gleich zwei davon in der großen Halle. Aber die Mondmission schien im Moment das Einzige zu sein, was die Menschen interessierte. Dagegen war der Ausbruch von vier Jugendlichen aus einer Anstalt scheinbar nicht mal eine Randnotiz wert.
    Annabel sah, wie Michael eine Reihe von Telefonnischen anstarrte, die sich in einer Ecke der Halle befanden. Und sie bekam sofort ein flaues Gefühl im Magen.
    »Es gibt etwas, was wir tun können«, sagte Michael zögerlich.
    Nein, sprich es nicht aus! , dachte Annabel und wäre so gern dazwischengegangen. Aber etwas hielt sie davon ab.
    »Wir wollten das schon in der Anstalt tun«, fuhr Michael fort. »Jetzt hat mich Annas Anruf wieder darauf gebracht. Also: Ich will nicht den gleichen Horror wie Anna erleben und am Telefon mit meiner falschen Mutter sprechen, aber…«
    Auf Erics und Georges Gesichtern zeichnete sich Erleichterung ab.
    »… aber nachdem man es uns in der Anstalt verboten hat, haben wir jetzt endlich die Möglichkeit, Freunde, Verwandte oder Nachbarn anzurufen. Wir müssen sie fragen, ob bei uns zu Hause alles in Ordnung ist und was sie über diese Sache wissen. Irgendeinem muss was aufgefallen sein. Und es muss jemanden geben, der uns helfen kann.«
    Annabel wusste, dass er recht hatte. Sie mussten es tun, auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubte. Also versuchte sie, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen.
    »Ich mache den Anfang«, bot Michael an und er klang zuversichtlich und voller Hoffnung. Doch schon wenig später verdüsterte sich seine Miene. »Keiner zu Hause«, knurrte er. »Versuch du es, Eric.«
    Aber auch hier das gleiche Spiel. Und es ging so weiter. Egal wer zum Telefon griff und egal bei wem sie es versuchten oder wie lange sie es klingeln ließen – niemand nahm ab.
    »Das gibt es doch nicht! Einer muss doch zu Hause sein!« Eric knallte den Telefonhörer auf die Gabel.
    »Und wenn es tatsächlich nur ein dummer Zufall ist?«, fragte Annabel.
    »Glaubst du das wirklich?« George schüttelte den Kopf.
    Michael sah demonstrativ auf die Uhr. »Wir müssen los. Wir reden in Willowsend noch einmal darüber.«
    Annabel war froh, dass Michael die Notbremse gezogen hatte. Niemand von ihnen hätte auch nur ansatzweise erklären können, was hier gerade passiert war. Und natürlich glaubte sie nicht wirklich an einen Zufall. Nicht nach dem, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte. Aber solange es keinen Beweis für das Gegenteil gab, musste sie sich einfach an den Gedanken klammern, dass sie früher oder später für alles eine rationale Erklärung finden würden. Deshalb setzte sie ihre ganze Hoffnung in die bevorstehende Reise und betete, dass das Haus mit den gelben Fenstern ihnen tatsächlich ein paar Antworten liefern würde – so wie April Fay es prophezeit hatte.
    Als sie den Zug nach Willowsend bestiegen und George ihr auffallend

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