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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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wäre.
    Für ihn und nicht für die Gruppe. Und das war ganz leicht zu beantworten. Solange er das Gefühl hatte, dass die anderen ihm nützlich sein konnten, war es klüger mitzuspielen.
    Erneut hieß George die Leere willkommen, die wie ein kalter Nebelschwaden durch jede seiner Poren in ihn eindrang und ihn nach und nach erfüllte. Doch diesmal kam sie nicht alleine. Sie hatte einen Freund mitgebracht. Einen dunklen, unheimlichen Freund.
    »Tut mir leid«, sagte George und war selbst erstaunt, wie ruhig seine Stimme klang. »Ich verstehe, was ihr meint. Und nein, seine Eltern waren nicht da. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich etwas Geld brauche und er es nächste Woche zurückbekommt. Er wollte nicht wissen, wofür es ist. So läuft das doch unter Freunden, oder?«
    Die anderen schwiegen verblüfft. George konnte nicht sagen, ob sie ihm glaubten oder ob sie endlich kapiert hatten, dass es keine Rolle spielte, woher das Geld kam, solange man keine Alternative hatte. Aber letztendlich war für ihn nur eins wichtig: dass sie die Klappe hielten.
    Annabel sah George unverblümt an. Seine ruhige Antwort hatte sie überrascht, aber sie glaubte ihm kein Wort. Leider sah es nicht danach aus, als würde er sich weiter aus der Reserve locken lassen. Er hatte wieder seinen stoisch-neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der nichts darüber verriet, was wirklich in ihm vorging. Dennoch hatte Georges Fassade Risse bekommen, und dass etwas nicht mit ihm stimmte, fühlte Annabel ganz deutlich.
    Trotz allem war sie sich ziemlich sicher, dass George niemandem etwas über ihre Absichten verraten hatte, selbst wenn dieser angebliche Freund nicht existierte. Er wollte schließlich genauso wenig zurück in die Anstalt wie sie.
    Sie zwang sich, George für eine Weile zu vergessen, denn es gab etwas, das ihr schon die ganze Zeit auf dem Herzen lag, und das musste jetzt endlich ans Tageslicht.
    »Ich muss euch was erzählen«, sagte sie. »Etwas Wichtiges.« Ein Windstoß fuhr durch die Baumkronen und Annabel warf einen Blick nach oben. Der Himmel hatte sich weiter verfinstert und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Wolken ihrer Last entledigen würden. Doch es war mehr eine innere Kälte als die fehlende Wärme der Sonne, die sie frösteln ließ. »Ich habe vorhin aus einer Telefonzelle bei uns zu Hause angerufen.«
    »Du hast was?«, platzte es aus Eric heraus.
    Annabel verstummte. Die Jungs starrten sie mit großen Augen an.
    »Ihr denkt, das hätte ich nicht tun sollen, stimmt’s?«
    »Nein, nein, red weiter«, sagte Eric, warf Michael aber einen Blick von der Seite zu.
    Annabel fuhr unsicher fort und beschrieb, so gut sie konnte, alle Einzelheiten ihres Anrufs.
    »Euch bleiben noch sechs Tage. Sechs Tage. Das hat sie gesagt. – Was denkt ihr?« Annabel nestelte mit fahrigen Fingern am Saum ihres Shirts herum.
    Es entstand eine kleine Pause.
    »Was wir denken?« Michaels Augen weiteten sich und plötzlich sah er ungeheuer erleichtert aus. »Dank dir wissen wir jetzt endlich, dass wir nicht verrückt sind! Und dass die Leute, die in der Anstalt behauptet hatten, unsere Eltern zu sein, Lügner sind! – Mensch, Anna!«
    Eric zeigte seine Freude auf Eric-Art. Er schnappte sich Annabel und hob sie hoch. »Wenn’s keiner von euch Heteros macht, übernehme ich das eben.« Er gab ihr einen lauten Schmatz auf die Wange. »Rotlöckchen, du bist ein Genie«, flüsterte er ihr ins Ohr und setzte sie wieder ab.
    Annabel atmete auf. Natürlich war auch ihr sofort klar gewesen, dass der Anruf ein Beweis war, dass sie sich all die unglaublichen Geschehnisse nicht einbildeten. Doch Angst und Wut hatten ihre Gefühle vernebelt. Erst jetzt, da sie sah, wie aufgewühlt ihre Freunde waren, konnte auch sie sich darüber freuen.
    Sogar Georges sphinxhafter Gesichtsausdruck wich für ein paar Sekunden einem Lächeln. Kommentieren wollte er die gute Nachricht aber offenbar nicht.
    Michael sah in die Runde. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, Leute, aber ich fall gleich um, wenn ich nicht bald was zu essen kriege. Wir müssten genug Geld für die Fahrkarten und ein ordentliches Frühstück haben. Was sagt ihr?«
    »Schokoladenkuchen«, sagte Annabel sehnsüchtig.
    »Erdbeertorte«, stimmte Eric mit ein.
    »George?«, fragte Michael.
    »Ja, wir sollten was essen und trinken, bevor wir losfahren«, sagte George und es klang, als wäre alles wieder beim Alten.
    Als Michael sich wenig später ein Stück von Annabels Schokoladenkuchen nehmen wollte, den

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