Remember
herum.
Und tatsächlich, Annabel kam gerade zwischen zwei parkenden Wagen hervor und überquerte die von großen Kastanien gesäumte Straße. In den hübschen bunten Sachen und mit ihren roten Haaren war sie wirklich nicht zu übersehen. Michael starrte sie fasziniert an. Doch als sie näher kam, glaubte er, etwas in ihrem Blick zu erkennen, etwas, das vorhin noch nicht da gewesen war. Das gefiel ihm nicht.
Annabel und Eric fielen sich in die Arme, ohne ein Wort zu sagen. Und auch Michael bekam von ihr ein Lächeln. Allerdings hatte er das Gefühl, dass es ein wenig mechanisch wirkte, nicht so herzlich wie sonst. Meine Schuld, dachte er.
Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, erzählte Eric ihr seine Geschichte und auch Michael brachte sie auf den neuesten Stand. Ruhig und mit ernstem Gesichtsausdruck hörte Annabel ihnen zu. »Verstehe«, sagte sie schließlich. «Dann müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen.«
»Ganz genau, Rotlöckchen! Meine Rede.«
»Anna, wegen vorhin«, sagte Michael vorsichtig. »Ich wollte nicht…«
»Ist schon okay. Ich bin nicht mehr sauer. Nicht wirklich. Ich… ich muss euch nur unbedingt etwas erzählen, was ich…« Sie unterbrach sich und spähte auf die andere Straßenseite. »George! Hier sind wir!«, rief sie plötzlich.
»Sehe ich das richtig? George lächelt?«, fragte Michael.
»Das ist bei ihm ja fast schon eine Verkleidung«, spottete Eric.
»Lasst ihn in Ruhe«, sagte Annabel. »George ist ganz okay.« Sie ging ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. »Hey, George, alles klar? Wo bist du denn gewesen?«
George hatte immer noch dieses seltsame Lächeln auf den Lippen. Und gleich darauf wurde Michael auch klar, warum. George griff wortlos in seine Hosentasche und zog langsam ein Bündel Pfundnoten heraus.
»Das gibt’s doch nicht!«, platzte es aus Eric heraus. »George, der Retter in der Not! Toll gemacht, Kumpel!«
»George, das ist wirklich genial!«, sagte Michael. »Das dürfte für die Fahrt reichen. Und es bleibt sogar noch etwas übrig.«
Annabel sagte nichts. Stattdessen schenkte sie George ein hinreißendes Lächeln.
George war im siebten Himmel. Auf dieses Lächeln hatte er sich so gefreut. Aus irgendeinem Grund war es besonders Annabels Anerkennung, die ihm wichtig erschien. Und für einen kurzen Augenblick hatte er das Gefühl, dass sein Triumph vielleicht doch weitaus größer ausfallen könnte als erhofft.
Deshalb verletzte ihn das, was dann geschah, umso mehr.
»Erzähl!«, sagte Michael neugierig. »Von wem hast du das Geld? Ist es jemand, den wir kennen?«
George versuchte, so zu tun, als habe er die Frage nicht gehört. Aber die anderen erwarteten offensichtlich eine Antwort.
»Nur ein Freund«, sagte er und zog dabei leicht die Schultern hoch.
»Und dein Freund hat dir das Geld einfach so gegeben?«, fragte Annabel. Sie lächelte noch immer.
»Äh, ja. Natürlich. Er hat sofort gesagt, er würde mir was leihen.«
Jetzt wurde Annabels Gesichtsausdruck leicht misstrauisch. »War es jemand aus unserer Schule? Er hat dich doch bestimmt gefragt, wozu du das Geld brauchst. Wusste er von der Anstalt?«
»Was meinst du damit? Was… was sollen diese Fragen?« George spürte, wie seine gute Laune mit einem Schlag verflog. Er hatte ihnen doch das Geld gebracht. Was wollten sie denn noch?«
»Ich glaube, Anna möchte nur wissen, ob du ihm etwas von uns erzählt hast«, sagte Michael ruhig. »Waren seine Eltern vielleicht da?«
»Was? Nein!« George kam sich vor wie in einem Verhör. »Was wollt ihr eigentlich von mir? Wenn Michael mit dem Geld angekommen wäre, hätte ihm niemand solche Fragen gestellt. Ihr wärt ihm um den Hals gefallen.«
»Das stimmt doch gar nicht, George«, sagte Annabel. »Wir haben einfach Angst, dass man uns erwischt.«
Leck mich!, dachte George. So hatte er sich seine glorreiche Rückkehr nicht vorgestellt. Eben noch hatte er zum ersten Mal das Gefühl gehabt dazuzugehören, ein respektierter Teil der Gruppe zu sein. Doch nun befand er sich in genau der gleichen Position wie immer. Er war wieder zum Außenseiter geworden. Und weil das anscheinend noch nicht genug war, bewarfen sie ihn jetzt auch noch mit Steinen.
In diesem Moment wurde George klar, dass er nie zu ihnen gehören würde, ganz egal, wie viel Mühe er sich gab. Und es hatte etwas Befreiendes, dass er das ein für alle Mal erkannt hatte. Denn es versetzte ihn in die Lage, kühl und nüchtern zu überlegen, was für ihn wohl das Beste
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