Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
Vom Netzwerk:
ganzes Leben. Doch die Unordnung in ihrem Kopf und in ihrem Herzen war einfach zu groß, um sich ganz auf ihn einzulassen. Im Moment tat es einfach nur gut zu wissen, dass er da war.
    Sie blieb noch eine Weile stehen und schaute Michael beim Schlafen zu. Dann ging sie zurück ins Bett.
    33
    Michael erwachte früh am Morgen und für einen kurzen Moment fühlte er sich einfach nur glücklich. Er lauschte dem Rauschen der Bäume, dem Gesang der Vögel und dem leisen Plätschern des Sees. Es war wie früher.
    Doch als er die Augen öffnete und die vertraute Umgebung sah, kehrte auch der Schmerz zurück.
    Er hatte versucht, sich zu schützen. Hatte gelernt, sein Denken in eine andere Richtung zu lenken. Weg von Rebecca, hin zu Annabel. Doch was er auch unternahm, um die schrecklichen Erinnerungen von sich fernzuhalten, es war nie von Dauer. Auch jetzt hörte er Rebeccas Stimme so deutlich, als wäre sie bei ihm im Zimmer. Er hörte ihr Lachen, wenn er für sie lustige Grimassen schnitt. Ihr Weinen, wenn sie sich beim Spielen das Knie aufgeschlagen hatte. Ihr Quieken und Kreischen, wenn er sie kitzelte. Und das süße Flüstern, wenn sie ihm von ihren kleinen Geheimnissen erzählte.
    Michael hatte plötzlich das Gefühl zu ersticken. Alle Fenster und Fensterläden waren noch immer geschlossen und er kam sich auf einmal vor wie in einem Gefängnis. Er stand auf, öffnete hastig die Haustür und stellte sich auf die Veranda. Sofort ging es ihm besser.
    Die Luft war erfrischend kühl und ein leichter Nebel lag über dem See. Er trieb dahin wie feine Zuckerwatte und verhüllte das Ende des Stegs. Doch etwas bewegte sich im Nebel. Ich muss es nicht richtig festgemacht haben , dachte er, als sich der Bug des Ruderbootes durch die weißen Schwaden schälte.
    Als er sich dem Steg näherte und das Boot fast vollständig zu sehen war, glaubte er, endgültig den Verstand verloren zu haben. Dies ist wieder einer dieser Albträume . Es muss einer sein .
    Mit wackligen Beinen ging er ans Ufer. Nun sah er sie ganz deutlich. Sie stand in der Mitte des Bootes und winkte ihm zu. Sie trug ihr rotes Lieblingskleid und ihr zerzaustes schwarzes Haar hing ihr ins Gesicht. Wie von Geisterhand stoppte das Boot und verharrte mitten auf dem Wasser. Es lag ruhig auf dem See, schwankte nicht einmal.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, watete Michael ins Wasser und blieb erst stehen, als es ihm bis zur Brust reichte. Das Boot nur eine Armlänge von ihm entfernt.
    Rebecca lächelte ihren Bruder an. So wie sie es früher getan hatte, bevor sie ihm auf den Schoß gesprungen oder in die Arme gelaufen war. Sie kniete sich hin und stützte sich mit den Händen am Bootsrand ab. Dann beugte sie sich nach vorn, bis ihr Kopf neben dem von Michael war. Ihr Haar roch nach Apfelshampoo und er spürte ihren Atem auf seinem Hals, während sie flüsterte: »Ich hab dich lieb, Michael.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und er schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, war Rebecca verschwunden und das Boot lag sicher vertäut neben dem Steg.
    Zum ersten Mal seit ihrem Tod verlor Michael die Kontrolle über seine Gefühle. Und es war wie ein Dammbruch, als Angst, Wut und Verzweiflung sich ihren Weg bahnten. Er tauchte unter und schrie alles aus sich heraus.
    Als er auftauchte, waren die Schreie verstummt und sein kräftiger Brustkorb füllte sich mit Luft. Michael konzentrierte sich auf seine Atmung. Seine Arme trieben ruhig auf dem Wasser und er lauschte den Geräuschen des Sees und der erwachenden Natur. In diesem Moment fühlte er etwas, das er schon lange verloren geglaubt hatte – Hoffnung. Ich bin nicht tot . Tote, dachte er, fühlen nicht den Schmerz, den er gefühlt hatte beim Anblick seiner Schwester. Gleichzeitig erkannte er, dass der Schmerz schwächer werden würde. Nicht heute oder morgen. Aber irgendwann. Er würde mit ihm leben können.
    Michael watete zurück ans Ufer. Er dachte an gestern Abend und daran, wie er die anderen dazu überredet hatte, zurück nach London zu fahren, obwohl er selbst noch voller Zweifel gewesen war. Doch die gab es jetzt nicht mehr.
    Wir werden herausfinden, was mit uns passiert , dachte er voller Zuversicht. Wir werden den Hinweisen folgen, und wenn es so weit ist, werden wir uns verdammt noch mal wehren.
    Obwohl noch immer ein paar Tränen über sein Gesicht liefen, lächelte er. Ein warmes, zufriedenes Lächeln, dem selbst seine Augen nicht widerstehen konnten.
    Annabel.
    34
    George starrte sein

Weitere Kostenlose Bücher