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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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er hielt einen erbeuteten Fisch im Schnabel, der noch lebte und zuckte. Christian begriff, dass er sich in einer alten Küstenfestung befand.
    Er lief in den Tunnel zurück und rannte weiter, bis er vor einer grauen Stahltür anhalten musste. Sie war abgeschlossen. Natürlich. Schon begann die Verzweiflung die Oberhand über seinen grimmigen Willen zu gewinnen. Panisch sah er sich um und bemerkte in der Wand ein rundes, rostiges Metallgitter mit einem Scharnier. Er klappte es auf, kroch in die Öffnung, die gerade groß genug war, und zog das Gitter hinter sich zu. Etwas Rost blieb an seinen Fingern haften. Er befand sich in einer gemauerten, eckigen Röhre, offenbar einer Art Belüftungsschacht, in dem ein leichter Luftzug ging. Auf allen vieren kroch Christian weiter. Die kühlen Backsteine waren grob und hart an Knien und Handflächen, aber die Wut trieb ihn voran. Das Licht von draußen reichte nicht mehr aus, um den Schacht zu erleuchten, der steil abwärts führte. Bald verschwand der letzte Lichtschein hinter einer Biegung.
    Sylvias Schicksal trieb Christian Tränen in die Augen. Ihre Moral und ihre Kraft hatten über seine billigen Vorurteile gesiegt. Sylvia hatte zu schweigen gewusst, als es darauf ankam.
    Die Muskeln des hechelnden Dobermanns spannten sich unter dem glänzenden Fell, als er in den Helikopter sprang.
    »Sve u redu«, rief ein Mann mit Bürstenhaarschnitt über den Motorenlärm hinweg dem zweiten Dobermann zu, der dem ersten folgte. Der Mann dirigierte ein ganzes Rudel großer, sehniger Hunde, die allesamt in die Kabine sprangen: Dobermänner und Deutsche Schäferhunde. Einige der Tiere knurrten aggressiv wegen des Lärms. Sie hechelten, und der Geifer troff ihnen aus dem Maul.
    »Schneller!«, rief ein Mann mit grünem Overall und Helm auf der anderen Seite der Tür in amerikanischem Englisch.
    In Washington D.C., in dem am effektivsten vor Abhörmaßnahmen gesicherten Konferenzraum des Pentagon, saßen zwei Männer. Der geschliffene Steintisch vor ihnen war leer. Was hier stattfand, war eine so genannte NDO -eine non-document Operation. Wenn über eine Operation kein einziges Wort auf einem Blatt Papier stand, gab es auch keine Unterlagen, die jemand zu sehen verlangen konnte.
    »Von allen großen Unglücksfällen ist ein Flugzeugabsturz der einzige, bei dem man sich zumindest vorstellen kann, dass die Ursache der Tragödie für immer ungeklärt bleibt«, sagte einer der beiden Männer. Er war etwa sechzig Jahre alt und trug ein sorgfältig gefärbtes Haarteil.
    »Nie zuvor war der Druck der Medien so groß. Den müssen wir irgendwie kanalisieren.« Der jüngere der beiden Männer schaute sein Gegenüber durch die eckige schwarze Hornbrille eindringlich an. »Egal wie.«
    »Wenn wir ihnen ein Körnchen Information geben, graben sie mit Sicherheit ein zweites aus. Und ein drittes.«
    »Wir müssen es eingrenzen. Bis jetzt haben wir nur die Information weitergeben, dass in der Maschine das Mitglied einer gewalttätigen Sekte war, eine Frau namens Tina Carabella. Der zweite Name, der an die Öffentlichkeit gegangen ist, lautet Christian Brück. Über ihn dürfen die Journalisten herausfinden, was sie wollen. Es ist eine Tatsache, dass er diese Carabella heiraten wollte. Wir erzählen nur, dass wir ihn vernehmen wollten, dass er es aber für klüger hielt, zu fliehen. Dann kann sich jeder selbst überlegen, warum er geflohen ist.«
    »Und wenn er mit der Kassette tatsächlich entkommt?« Der Ältere betastete sein Toupet, obwohl es einwandfrei saß.
    »Coblentz wird dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt.«
    Christian robbte immer weiter dem Unbekannten entgegen. Vor ihm teilte sich der Schacht in vier Richtungen. Allmählich hatte er das Gefühl, in Sicherheit zu sein, obwohl er nicht einmal sagen konnte, wo er sich befand. Aber jede Gabelung und jede Biegung brachte ihn ein Stück weiter von den Verfolgern weg. Er wählte die rechte Abzweigung. Früher hatte er die sonderbare Obsession gehabt, jedes zufällige Rechtsabbiegen zu vermeiden. Jetzt kam ihm schon der Gedanke an so eine Zwanghaftigkeit lächerlich vor.
    Nach einigen Metern fiel der Schacht so steil ab, dass Christian alle Mühe hatte, nicht haltlos hinunterzurutschen. Die groben Ziegelsteine halfen ihm, einigermaßen kontrolliert weiterzukommen. In seinem Kopf hallte Sylvias Satz nach. Hat irgendjemand behauptet, Moral und Krieg hätten etwas miteinander zu tun? Christian rekapitulierte, worüber sie sich unterhalten hatten, um

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