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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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allein der Wille setzte seine Muskulatur noch in Bewegung. Er hatte seine Kräfte falsch eingeschätzt.
    Er versuchte sich zu suggerieren, dass er es schaffte. Er musste das Spiel zu Ende spielen, den Einsatz noch erhöhen. Einen größeren Einsatz als sein Leben hatte er nicht. Er wollte einfach nur die Wahrheit wissen, wollte Sicherheit erlangen über Tina und das Flugzeugunglück und jeden Verdacht, der auf ihm lastete, vom Tisch wischen. Danach gäbe es nichts mehr, was noch irgendeine Bedeutung für ihn hätte. Seine aufs Äußerste angespannten Beine zitterten, und die Schuhsohlen kratzten über die Ziegelsteine. Der Lichtfleck rückte quälend langsam näher. Er wuchs und schien zu pulsieren. Bitterer Schweiß lief Christian in die Augen und trübte seinen Blick. Das Wimmern des Gabelstaplermotors war immer deutlicher zu hören und reinigte Christians Gedanken von allem Unwesentlichen. Alles, was zählte, war das Hier und Jetzt. Es gab nichts anderes als diesen Augenblick.
    Ein Stück Mörtel löste sich von der Ziegelwand, fiel nach unten und traf auf eine Art Gitter, wurde federnd zurückgeschleudert und prallte erneut auf. Christian wartete ab, ob irgendjemand etwas bemerkt hatte, aber es tat sich nichts. Wimmernd setzte der Gabelstapler seine Fahrt fort.
    Christian bewegte sich immer vorsichtiger abwärts. Seine Muskeln brannten lichterloh vor Anstrengung, und er zweifelte ernsthaft am Sinn seiner Kletterei. Durch die Öffnung sah er jetzt allerdings bereits Bewegung, die zu dem Gabelstaplergeräusch passte. Das gab ihm die Kraft für das letzte Stück. Sechs Meter noch, fünf, vier, drei... Vor der Öffnung war ein rostiges Gitter angebracht, hinter dem ein saalartiger, erleuchteter Raum zu erkennen war. Christian legte die letzten Meter so vorsichtig wir nur möglich zurück. Er versuchte sich zu drehen, um möglichst gut durch das Gitter hindurchsehen zu können. Schließlich gelang es ihm, sich mit Händen und Füßen so zu verkeilen, dass er stabilen Halt hatte.
    Unter sich sah er einen Betonfußboden, über den gerade ein oranger Gabelstapler mit leerer Gabel fuhr. Einen Moment später kam der Stapler in flinkem Bogen aus der anderen Richtung zurück. Christian erkannte, dass etwas quer auf der Gabel lag, es erinnerte an einen in Plastikfolie eingerollten Teppich, huschte aber so schnell vorbei, dass keine Zeit für genaueres Hinschauen blieb.
    Schwere Enttäuschung überkam Christian, der mittlerweile völlig erschöpft war. Der Stapler wimmerte davon und ließ nur unbeantwortete Fragen hinter sich. War das hier ein Warenlager der Armee? Christian hatte gehofft, den Transport von Flugzeugteilen oder etwas anderem, das mit dem Unglück zu tun hatte, zu sehen.
    Nun flitzte ein zweiter Gabelstapler vorüber. Er hatte ein gleichartiges Bündel geladen. Auf einmal erstarrte Christian. Das Bündel war aus seinem Blickfeld verschwunden, aber es hatte ein entsetzliches Bild hinterlassen. Konnte das möglich sein? Er schluckte schwer und wartete mit aufgerissenen Augen auf die nächste Fuhre. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und stützte sich mit der Hand an dem wackligen Gitter ab. Das stumpfe Wimmern des Gabelstaplers kam wieder näher. Christians Blick heftete sich auf die Ladung. Durch die Plastikfolie hindurch erkannte er blonde Haare, wie die Locken eines Engels.
    Sogleich war die Fuhre wieder verschwunden, aber eine neue erschien unmittelbar darauf. Christian starrte auf die mit Plastik umwickelte Gestalt eines Kindes. Die Gabelstapler transportierten Leichen. Direkt unter ihm wurden die Passagiere des abgestürzten Flugzeugs verschoben.
41
    Coblentz' Schritte hallten rhythmisch auf dem Gang wider. Neben und hinter ihm fielen seine Untergebenen in Laufschritt, um mithalten zu können.
    »Hat er sich in Luft aufgelöst?«, fragte Coblentz ruhig.
    »Wir sind sämtliche potenziellen Verstecke und Fluchtwege durchgegangen«, antwortete Rockler und fuhr sich über sein dichtes Bürstenhaar. »Allein Gänge, Gewölbe und Schächte gibt es hier kilometerweise. Bald werden die Hunde da sein.« »Und die Außenbereiche?«
    »Wir haben absolut zu wenig Leute und Ausrüstung für eine wasserdichte Umzingelung.« »Was ist mit Cannes?«
    »Monsieur Luc Cresson ist zu neugierig geworden.«
    Das Adrenalin schäumte in Christians Blut. Er sammelte alle seine Kräfte und ließ sich immer weiter zu dem Gitter hinab, um einen größeren Bereich überblicken zu können. Mit Armen und Beinen verhinderte er den

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