Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
Wirkung verabreicht, vielleicht Tiopental. Sie wollten die Wahrheit aus seinem Mund hören.
    Ein Gefühl der Mattigkeit breitete sich in ihm aus. Er kämpfte mit aller Kraft dagegen an, aber das zentrale Nervensystem ließ sich nicht herumkommandieren. Es hörte nicht auf die Vernunft und nicht auf Gefühle. Sein Puls beruhigte sich, und in die verkrampften Gliedmaßen kehrte Entspannung ein. Vielleicht war die Lage gar nicht so ernst.
    Fast schämte er sich dafür, überreagiert zu haben. Er spürte eine angenehme, ungetrübte Wärme in Geist und Körper.
    Vielleicht war ja alles gut... Er richtete den Blick zur Betondecke und lauschte dem Brummen der Neonröhre.
    Wieder sah der Arzt auf die Uhr und dann auf das Blutdruckmessgerät. Schließlich nahm er ein kleines Diktiergerät vom Tisch, schaltete es ein und nahm erneut das gelbe Blatt Papier zur Hand. »Haben Sie die Kassette dort gesucht, wo Sie sie auch versteckt haben?«
    Christian musste sich räuspern, um einen Ton herauszubekommen. »Ja.« Der Arzt schrieb die Antwort auf, während er schon die nächste Frage stellte. »Haben Sie vorgegaukelt, dass das Fehlen der Kassette im Versteck eine Überraschung für Sie war?«
    »Natürlich nicht... Es war eine Überraschung für mich.«
    »Wo haben Sie die Kassette versteckt?«
    Christian lachte ungeduldig. Er fühlte sich wohl und ruhig. Er stammelte ein wenig, wie ein Betrunkener. »Exakt dort, wo ich sie versteckt hatte ... in der Höhle unter dem Stein.«
    »Haben Sie gesehen, was auf der Kassette ist?« »Nein. Nur zwei Ausschnitte von wenigen Sekunden.« »Was haben Sie gesehen?«, fragte der Arzt, immer noch schreibend.
    Christian spürte hinter seinem Wohlbefinden Unruhe aufkeimen. »Ein paar Passagiere und allgemeines Durcheinander.«
    »Genauer«, kommandierte die Halbglatze und sah auf die Uhr. Christian wusste, dass der Mann nicht etwa die Uhrzeit überprüfte, sondern die Sekunden im Auge behielt. Das geeignete Barbituratniveau würde nicht lange anhalten. Die Zeit war jetzt seine beste Freundin - und sein schlimmster Feind.
    »Genauer!«
    »Ein Mann rannte über den Gang«, sagte Christian unbestimmt. Er war verwirrt, wie wenn man aus tiefem Schlaf erwacht. Er zögerte. Der Arzt schien die Rückkehr seiner Selbstkontrolle zu bemerken. Zum Glück hatte er nicht lügen müssen.
    Im selben Moment begriff er, dass Sylvia sich dem gleichen Test würde unterziehen müssen.
    Der Arzt schaltete das Diktiergerät aus, riss die Manschette des Blutdruckmessgeräts von Christians Oberarm und steckte mit verärgerter Miene das zusammengefaltete Blatt in seine Brusttasche. Für einen Augenblick durfte Christian einen kleinen Triumph auskosten, ein seltenes Gefühl, das in die matten Glieder eindrang und den gesamten Körper erfasste.
    Da hörte man in der Ferne den Schrei einer Frau.
    Sylvia.
    Christian schnürte es die Brust zusammen. Die Stimme stockte. Sie brach ab. Man hörte Laufschritte, dann flog die Tür auf. Der Arzt schnellte hoch. Der Mann, der in der Tür erschien, war über und über voller Blut, und seine Schuhe hinterließen rote Spuren auf dem Beton. Seine Stimme war von Panik erfüllt, als er auf Englisch sagte: »Doug, komm mit. Schnell.«
    Der Arzt schnappte sich einen Aluminiumkoffer und rannte aus dem Raum. Gleichzeitig trat ein bewaffneter Wächter ein, um auf Christian aufzupassen. Die Tür fiel zu, und der trockene Schlag hallte im Raum nach. Bevor die Tür zugeschlagen war, hatte Christian noch hören können, wie der mit Blut besudelte Mann zu dem Arzt sagte: »Selbstmord.«
    Zermürbende Beklemmung durchfuhr Christian, die aber fast sogleich einer tragischen Erkenntnis wich. Sylvia wusste, dass sie gegen ihren Willen das Versteck der Kassette verraten würde - und darum brachte sie sich um. Vor Christians Augen erschien ein Bild von Sylvia; es war der Moment, kurz bevor sie sich trennten, als sie auf so rätselhafte Art gesagt hatte, sie suche verzweifelt nach einem Sinn für ihr Leben. Hatte sie das gemeint? Hatte sie den Sinn gefunden und war bereit gewesen, sogar für ihn zu sterben? Aufschäumender Trotz und wilde Entschlossenheit mischten sich mit rasendem Furor und ließen Christians Willen stärker werden als je zuvor. Das halb über die Tischkante hinausragende Stahltablett blinkte vor seinen Augen. Er sprang auf.
    »Sitzen bleiben!«, sagte der Wächter.
    Mit aller Kraft trat Christian gegen das Tablett, und es flog dem Bewaffneten direkt ins Gesicht. Arzneigläser und

Weitere Kostenlose Bücher