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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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provozieren. Das Lamm wurde zur Schlachtbank geführt.
    Muffige Kühle drang in die Nase, wie in einem Keller. Christian keuchte schwer und ließ sich von den hart zupackenden Händen durch gewundene Gänge führen. Es hatte den Anschein, als ginge es nach und nach immer weiter nach unten. Der Boden war uneben, hin und wieder trafen Christians Schuhspitzen klirrend eine Flasche oder ein paar Ziegelsteine, die dann auf dem Steinboden polterten.
    Die Männer, die ihn führten, sagten kein Wort, aber Christian hörte ihren Atem. Mit verbundenen Augen stellte er sich den Gang als finsteren Tunnel vor, ein Eindruck, der durch den ihm entgegenschlagenden Schimmelgeruch noch intensiviert wurde. Unauffällig versuchte er mit den Fingern die Wände zu berühren, und ihm schien, als würde der Gang immer schmäler werden. Was war das für ein Labyrinth, in das man ihn hier trieb?
    Sein Orientierungssinn war vollkommen durcheinander, er begriff nur, dass man ihn immer tiefer ins Innere eines riesigen Gebäudekomplexes hineinführte. Wie in eine kühle Gruft. Schließlich stieß man ihn durch eine Tür und nahm ihm die Augenbinde ab. Christian blinzelte im grellen Licht. Er befand sich in einer weiß gekalkten Kellerhöhle mit unebenem Betonboden, einem Bett mit Stahlrohrgestell und zwei wackligen Stühlen. An der gegenüberliegenden Wand war eine weitere Tür. Auf dem Tisch lag ein Sortiment verschiedener Artikel für den Krankenhausbedarf. Mitten im Raum stand ein kleiner Mann mit Halbglatze, der ihm bedeutete, sich auf einen der Stühle zu setzen. Ein Fenster gab es nicht, das Licht kam aus einer Neonröhre an der Decke, die unangenehm blinkte und außerdem brummte. »Setzen Sie sich«, sagte der mit der Halbglatze in trockenem, nüchternem amerikanischen Englisch.
    Christian nahm nervös auf dem kalten Stahlrohrstuhl Platz. Am liebsten wäre er auf der Stelle wieder aufgesprungen und zur Tür gestürzt, aber er beherrschte sich mit Mühe. Sein Blick fiel auf ein Tablett aus rostfreiem Stahl, das über den Rand des schmalen Tischs hinausragte. Darauf lagen glänzend polierte medizinische Instrumente: Skalpelle, Wundspreizer, Nähzeug. Unwillkürlich überkam Christian das Grauen, und er rang nach Fassung.
    Der mit der Halbglatze schien das zu ahnen. »Solange Sie die Wahrheit sagen, haben Sie nichts zu befürchten.«
    Die ungleichmäßigen Rillen des kalten Sitzmöbels drückten durch das schweißnasse Hemd hindurch in Christians Rücken. Mit dem Geschmack der Angst im Mund sah er zu, wie der Mann die Manschette eines Blutdruckmessgerätes nahm, sie ihm flink um den Oberarm legte und aufpumpte. Christian registrierte, dass es sich um ein digitales Oberarmgerät von Omron handelte, das er kannte. Der Mann, der es bediente, war ein richtiger Arzt, das sah man sofort. Es kam Christian unnatürlich, ja absolut bestürzend vor, in diesem Zusammenhang einem Kollegen zu begegnen. Das Piepsen für den systolischen Wert ertönte ein paarmal, dann folgte das des diastolischen Werts. »Sie sind doch nicht etwa aufgeregt?«, fragte der Mann wie ein Hausarzt und lächelte dabei fast freundlich.
    Christian machte sich nicht die Mühe, auf diese kranke Art von Humor zu antworten. »Weniger Salz und mehr Bewegung«, sagte der Mann, und sein Lächeln verschwand wieder.
    »Ich bin Arzt«, erwiderte Christian.
    Der andere sah ihn kurz an, sagte aber nichts. Er nahm eine Spritze und eine kleine Ampulle vom Tisch. Christian versuchte vergebens, das Etikett zu erkennen. »Wie viel wiegen Sie?«
    Christian schluckte. Die Zunge klebte an seinem trockenen Gaumen. »Was...« »Sagen Sie mir Ihr Gewicht, oder soll ich es schätzen?«, fragte der Mann und zog die Spritze auf. »Dreiundsiebzig?«
    »Einundsiebzig«, sagte Christian.
    Der Mann ließ das Oberarmgerät, wo es war, schob den Ärmel an Christians anderem Arm hoch und suchte mit geschultem Auge die Vene in der Armbeuge. Was wollte er ihm injizieren? Intuitiv versuchte Christian, den Arm zurückzuziehen.
    »Stillhalten«, knurrte der Mann und umfasste Christians Arm fester.
    Die Nadel drang in die Ader ein. Christian schloss kurz die Augen. Sein Herz hämmerte immer wilder. Als er die Augen wieder öffnete, hatte der mit der Halbglatze ein gelbes DIN-A4-Blatt zur Hand genommen.
    Christian wartete, dass der andere etwas sagte, aber es kehrte Stille ein. Der Mann las das Blatt und blickte ab und zu auf die Uhr. Er wartete auf etwas.
    Natürlich.
    Er hatte Christian ein Barbiturat mit kurzer

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