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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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vorgegebene Ziel zu erreichen. Ohne es zu wissen, befolgte seine kleine Tochter dasselbe Prinzip. Martha mochte schreien und toben wie eine Wahnsinnige, um ihren Willen durchzusetzen, verstummte aber innerhalb einer Sekunde, wenn sie merkte, dass sie die falsche Strategie gewählt hatte. Das Mädchen kam nach seinem Vater.
    Coblentz zog sein Portemonnaie aus der Tasche und betrachtete das Foto seiner Tochter. Rattenschwänzchen, große, aufmerksame Augen, entschlossenes Lächeln. Coblentz war auf sie stolzer als auf jede andere Errungenschaft in seinem Leben. Außer Atem kam Rockler zurück. »Die Hunde haben in Sektor drei Witterung aufgenommen.«
    Coblentz heftete den Blick auf die Grundrisspläne.
    »Dort ist kein Ausgang«, fuhr Rockler fort. »Brück sitzt in der Falle.«
    »Bringt ihn her!«
    Rockler nahm mit einer energischen Bewegung das Funkgerät vom Gürtel und wandte sich ab.
    Christian bewegte sich Zentimeter für Zentimeter auf den Rand der Öffnung zu, den Hund, der sich in seinem Oberarm verbissen hatte, schleifte er dabei mit. Der Kopf des Tieres war direkt neben seinem Ohr. Ein tiefes, mit einem Rasseln durchsetztes Knurren entwich der Kehle des Hundes, und blutiger, schäumender Geifer quoll im Rhythmus seines Atems aus dem Maul. Die Bestie war darauf dressiert, einen Menschen festzuhalten, auch wenn sie ihn leicht hätte töten können. Christian legte die Hände auf den Körper des Hundes, drehte sich dabei seitlich zur Öffnung und drückte den Dobermann mit aller Kraft nach draußen. Die Kiefer ließen seinen Oberarm nicht los. Der Schmerz nahm zu. Mit einer Hand griff Christian in das schwarz glänzende Fell, das von seinem Blut befleckt war. Gleichzeitig setzte er einen Fuß auf den Hundekörper und rutschte auf Ellenbogen und Gesäß weiter an den Rand der Öffnung heran.
    Er konzentrierte all seine Kraft auf die Fußsohle und trat der Bestie scharf in die Seite. Ein dumpfer Schlag, und die Beine des Hundes gaben nach. In dem Moment stieß Christian ihn über den Rand. Der Dobermann hing an seinem Arm fest, während Christian sich quer in der Öffnung verkeilte. Er keuchte vor Schmerz und griff mit einer Hand nach der schwarzen Hundeschnauze. Er wollte sich mit Gewalt befreien, aber die Kiefer saßen fest wie eine Zange. Ächzend drückte er dem Tier zwei Finger in die Augen, und dann spürte er endlich, wie die Kiefernzange schwächer wurde und, von einem gedämpften Wimmern begleitet, aufging. Heulend stürzte der Hund in den Abgrund, immer kleiner wurde er, bis er schließlich als schwarzer Punkt im Wasser aufschlug.
    Keuchend zog Christian sich wieder von der Öffnung zurück. Sein Arm brannte wie Feuer. Er versicherte sich, dass der Blutfluss nicht allzu stark war, und bewegte Handgelenk und Finger. Die Motorik funktionierte, und es gab auch keine gefühllosen Stellen. Wie es aussah, waren zumindest die Nerven, die Sehnen und der Oberarmknochen heil geblieben.
    Christian erstarrte und lauschte. Das Brausen des Meeres von unten dominierte, aber er war sicher, aus dem Belüftungsschacht tiefes Bellen gehört zu haben. Weitere Hunde!
    Rasch hielt er sich mit einer Hand an der rostigen Halterung fest und zwang sich, nach unten zu schauen. Der Abhang bestand stellenweise aus glattem Fels, stellenweise aus Geröll. Hier und da wuchsen kümmerliche Bäume und Sträucher. Direkt unterhalb der Öffnung war ein senkrechter Abschnitt, aber rechts war etwas weniger steiles Gelände zu erkennen. Eine der rostigen Halterungen an der Ecke der Öffnung stand zwanzig Zentimeter weiter heraus als die andere.
    Christian kroch näher heran und setzte einen Fuß auf die Halterung. Er versuchte, nicht in die Tiefe zu blicken, aber das war unmöglich. Ein starkes Schwindelgefühl erfasste ihn und schien ihm den Gleichgewichtssinn zu rauben. Er fuhr mit der Hand über die raue Außenwand und tastete nach etwas, woran er sich festhalten konnte. Die pulsierende Wunde unter dem zerrissenen Stoff schwächte ihn. Schließlich fanden seine Finger die Zweige eines Strauchs; daran hielt er sich fest. Er setzte den Fuß auf einen runden Stein und suchte verzweifelt nach dem nächsten Fixpunkt, wobei er sich tastend bewegte, da er befürchtete, sich nicht halten zu können.
    Aber sein Griff hielt, und er konnte kurz durchatmen, bis er spürte, dass der Strauch sich mitsamt den Wurzeln aus dem Abhang löste. Er war nicht stark genug, um das Gewicht eines erwachsenen Menschen zu halten. Der Strauch wurde herausgerissen,

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