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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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eine grauhaarige Frau im schwarzen Kleid, die sich sogleich nach der Pistole bückte und zu Martin eilte.
    Luc sah, dass sich der Amerikaner bewegte.
    »Geben Sie mir die Pistole«, rief er der Frau zu, die Martin mit Gewalt den Heroinbeutel aus der Hand riss.
    Anstatt Luc die Pistole zu geben, richtete sie die Waffe auf ihn und sagte ruhig: »Binden Sie den Jungen wieder an!«
    Christian lag im dunklen Belüftungsschacht und versuchte nach dem mühsamen Aufstieg wieder zu Kräften zu kommen. Allmählich lähmte ihn auch der Mangel an Nahrung und Flüssigkeit. Der Schweiß lief ihm in Strömen herab, und seine Lunge brannte, als er bis zu der Stelle zurückkroch, an der sich die Schächte verzweigten. Er wäre am liebsten so schnell wie möglich von hier verschwunden, aber das Wissen um die Überlebenden des Flugzeugunglücks hielt ihn zurück. Wieder verlieh die unbändige Wut ihm Energie, die seinen erschöpften Körper belebte. Er wählte nicht den Weg nach draußen, sondern entschied sich für den mittleren Belüftungsschacht und kroch ihn entlang. Nach einer Biegung endete der Schacht an einem rostigen Maschendraht, durch den ein kühler Luftstrom kam.
    Christian drehte sich um, kehrte zur Gabelung zurück und kroch in den nächsten Schacht. Plötzlich hielt er inne, um zu horchen. Ihm war, als hätte er das Bellen eines Hundes gehört. Er lauschte einige Sekunden, aber um ihn herum rauschte nur die Stille. Dennoch jagte ihm allein der Gedanke an einen Bluthund, der ihm in dem engen Schacht entgegenkäme, einen Schauer des Entsetzens ein. Es wäre unmöglich, dem Tier zu entkommen.
    Auch dieser Schacht machte eine Biegung, endete aber nicht an einem Maschendrahtgitter, sondern setzte sich immer weiter waagrecht fort. Nur ein kleiner Lichtpunkt in der Ferne deutete an, dass er irgendwo enden würde. Christians Hosen waren bereits an mehreren Stellen durchgescheuert, und die Haut auf den Knien und Handflächen brannte.
    Schließlich näherte er sich der Öffnung, durch die der Lichtschein drang. Erst wenige Meter davor merkte er, dass an dem Gitter ein Stück Plastikfolie befestigt war. Darum hatte er in dem Schacht keinen Luftzug gespürt. Er kroch näher heran. Warum war das Belüftungsgitter abgedichtet? Hinter dem Gitter waren außerdem zwei Stangen über Kreuz angebracht, als zusätzliche, massive Gitterstäbe.
    Durch das Gitter und die Plastikfolie blickte man in einen hell erleuchteten Raum, der fast komplett einsehbar war. Die Öffnung befand sich in etwa vier Meter Höhe in der Wand, unmittelbar unter der Decke. Christians Herz pochte immer heftiger, je mehr Einzelheiten er durch das Plastik hindurch wahrnahm: sechs Betten mit Stahlrohrgestell, um sie herum Ständer mit Infusionsflaschen, EKG-Monitore, ein Defibrillator, ein Pulsoxymeter. Christian sah Patienten in den Betten liegen, und sein Blick verweilte auf einem von ihnen. Beide Arme und Beine der Person steckten in weißen Verbänden. Man konnte nur einen Teil ihres Gesichts sehen, aber Christian hätte ein noch kleinerer Ausschnitt genügt, um die Person zu identifizieren.
    In dem Bett lag Tina.

DRITTER TEIL
43
    Vor Überraschung blieb Christian fast das Herz stehen. Er konnte den Ausdruck auf Tinas Gesicht nicht sehen, aber er erkannte sie mit hundertprozentiger Sicherheit, obwohl sie im Grunde kaum wiederzuerkennen war.
    Mit seinem aufgeschürften, schmutzigen Handrücken wischte er sich die Augen und blickte auf die anderen Opfer. Alle waren schwer verletzt. Unbändige Wut erfüllte ihn. Tina regte sich, nur wenige Meter von ihm entfernt. Ihre Augen waren geöffnet und von schwarzen Ringen eingefasst, so schwarz wie die Locken, die unter dem Kopfverband hervorquollen und sich auf dem Kissen ausbreiteten. Christian hätte sich am liebsten zwischen Gitter und Plastik hindurchgezwängt, um mit ihr sprechen zu können. Ihr Fragen zu stellen.
    Da hörte er, wie eine Tür geöffnet wurde.
    Schritte.
    Er versuchte, etwas zu erkennen, konnte den Hals aber nicht weit genug drehen. Die Schritte kamen außerhalb seines Blickfelds zum Stehen. Es klapperte, als jemand an einem Bett die Bremse löste und sich daranmachte, es fortzuschieben.
    »Wo bringt ihr mich hin?«, rief ein Mann mit angsterfüllter Stimme, aber die Räder des Bettes quietschten nur und niemand gab ihm Antwort, obwohl er seine Frage ein ums andere Mal wiederholte.
    Erschüttert zog sich Christian in den Schacht zurück und drehte sich mühsam um. Es rauschte in seinen Ohren, als er auf

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