Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Kosten keine Gedanken.«
»Die Verlegung erfolgt, sobald es möglich ist, vermutlich morgen früh. Was Béa an Informationen preisgegeben hat, deutet darauf hin, dass der Neue Morgen Methoden anwendet, die genauere Nachforschungen verlangen.« Lucs Blick heftete sich auf eine grauhaarige Frau und einen jungen Mann, die am Rand des Parkplatzes aus einem uralten Renault 5 stiegen. Den Mann hatte Luc schon oft vor dem Festivalpalast Flugblätter verteilen sehen, und die Frau entsprach exakt Béas Beschreibung: trotz ihres Alters von höchstens fünfzig Jahren graues Haar, mütterliche, rundliche Erscheinung, schwarzes Kleid, wie man es zu Beerdigungen trägt, Handtasche.
»Verzeihung, aber ich muss aufhören. Wie es aussieht, bekommt Ihre Tochter Besuch.« »Ich verlasse mich darauf, dass Sie sich um ihr Wohlbefinden kümmern, Monsieur Cresson ...«
Luc steckte das Handy ein und folgte den Besuchern ins Foyer, wo ihnen der Pförtner den Weg wies. Sie gingen zum Lift und warteten. Luc ging ohne Hast die Treppe hinauf, rannte aber sofort los, als er außer Sichtweite war. Auf Béas Station stürzte er ins Stationszimmer.
»Excusez-moi«, keuchte er. »Zwei Mitglieder der Sekte kommen gleich herauf, um Béa Métrai zu besuchen ...«
Die Schwester richtete sich auf. »Ich werde ihnen sagen, dass die Patientin schläft.« »Bleiben Sie hart! So machen es diese Leute auch. Ich werde in Béas Zimmer warten.« Gerade als die Aufzugtür aufging, rannte Luc auf den Gang hinaus. Ohne sich umzublicken, eilte er in Béas Zimmer. Zum Glück schlief sie.
Luc schloss die Tür und wartete. Nach allem, was Béa erzählt hatte, stand es mit der psychischen Gesundheit der grauhaarigen Frau nicht zum Besten. Das war außergewöhnlich, denn normalerweise vermieden es Sekten, Mitglieder anzuwerben, die unter psychischen Problemen litten. Aber die Gruppe des Neuen Morgens, die in Cannes aktiv war, war Luc trotz aller Nachforschungen unbekannt geblieben. Es war ihm nicht einmal gelungen, ihren Stützpunkt zu lokalisieren, denn es wären mehr Personen und Ressourcen nötig gewesen, um den einzelnen Mitgliedern zu folgen.
Auf dem Gang wurde laut geredet, Türen wurden geöffnet und fielen wieder zu. Luc trat näher an Béa heran. Das Türenschlagen kam immer näher - jemand ging systematisch alle Zimmer durch. Rufe und Lärm wurden lauter. Luc war erleichtert, als er darunter auch die scharfe Stimme des Pförtners aus der Eingangshalle heraushörte. Dann hörte das Türenschlagen auf. Luc wartete eine Weile ab, bevor er auf den Gang hinaustrat. Dort war niemand. Er eilte ins Stationszimmer, wo die Schwester, mit der er gesprochen hatte, gerade mit rotem Gesicht ein in erregtem Ton geführtes Telefonat beendete.
»Ich habe den Oberarzt verständigt«, sagte sie. »Die beiden Besucher haben versucht, mit Gewalt zu der Patientin vorzudringen. Die Frau war vollkommen verrückt, ich musste den Pförtner rufen.«
»Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss gehen.«
Luc eilte auf den Gang und rannte die Treppe hinunter. Seine Schritte hallten von den Wänden wider. Am Ausgang kam ihm der Pförtner entgegen. Luc ging ohne ein Wort an ihm vorbei auf den Parkplatz zu. Die schwarz gekleidete Frau und der junge Mann näherten sich ihrem Renault. Luc eilte hinter den Rosensträuchern zu seinem kastenförmigen Fiat Multipla.
Die beiden Vertreter des Neuen Morgens fuhren nach Norden, in Richtung Rocheville. Luc blieb ihnen im dichten Verkehr auf den Fersen. Kurz vor der Abzweigung nach Le Cannet drängte sich ein Saab-Cabrio vor Luc, die Ampel sprang auf Rot, und der Saab bremste. Der Renault des Neuen Morgens hatte es noch bei Gelb über die Kreuzung geschafft. Luc scherte aus, trat aufs Gas und beschleunigte. Ganz knapp vermied er einen Unfall, als er über die Kreuzung raste.
Alte Villen waren nun keine mehr zu sehen, und statt der großen Wohnhäuser inmitten von Palmengärten säumten jetzt Autowerkstätten und Lagerhallen die Straße. Der Renault fuhr durch den Stadtteil Rocheville hindurch nach Norden weiter und überquerte die Autobahn auf einer Betonbrücke voller Graffiti. Luc hielt ausreichend Abstand, gab sich aber alle Mühe, den Renault nicht aus den Augen zu verlieren. Dann kamen überhaupt keine Häuser mehr, nur dort, wo es nach Grasse abging, befand sich ein kleines Dorf. Die Straße stieg an und wurde kurvenreich. Im Rückspiegel blitzte hinter Cannes kurz das Meer auf.
Aus dem, was Béa berichtet hatte, war hervorgegangen, dass die
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