Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Sylvester Stallone und Konsorten dort regelmäßig absteigen. Für die beste Suite muss man allerdings tausendfünfhundert Dollar pro Nacht berappen.«
Das Geplauder der Frau ging Christian zum einen Ohr herein und zum anderen hinaus. Er hielt nach Elektrogeschäften Ausschau, aber die Schilder der heruntergekommenen Terrassenlokale warben nur für Campari und Perrier. Ohne Pass fühlte er sich nackt, und er bereute es, das Dokument in der Aufregung dem Jungen überlassen zu haben. Bis zur Öffnung der Banken waren es noch einige Stunden. Sie näherten sich dem Hotel Jadran.
»Zu Milosevics Zeiten wurde der Tourismus heruntergefahren. Für zehn lange Jahre waren die Gäste ausschließlich Jugoslawen, und das merkt man«, sagte die Journalistin und machte eine weit ausholende Handbewegung. »Schade, dass der Anlass Ihres Besuchs ein so unschöner ist. Andernfalls müssten Sie unbedingt einmal nach Budva fahren. Das ist ein unglaublicher Ort aus dem frühen Mittelalter.«
Schließlich erreichten sie das Hotel, wo Christian und Rebecca sich unter Sylvias Ägide einschrieben. Christian glich den fehlenden Pass mit einem Hundertmarkschein aus und registrierte, dass Sylvia dies nicht verborgen blieb. Es war bereits vier Uhr morgens, und sie vereinbarten, gemeinsam zur Pressekonferenz zu gehen, die um sieben Uhr stattfinden sollte.
Christian zog sich in sein enges, kühles Zimmer zurück und holte ungeduldig die Kamera hervor. Mit sanfter Gewalt öffnete er das Kassettenfach und nahm vorsichtig die kleinformatige Kassette heraus. Er hätte jeden Preis bezahlt, um sie sich augenblicklich auf einem passenden Gerät ansehen zu können.
Er versuchte den antiken Fernseher einzuschalten, weil er Nachrichten sehen wollte, bekam aber kein Leben in den Apparat. Das kümmerliche Drahtgebilde, das als Antenne diente, ließ allerdings darauf schließen, dass ohnehin kein Sender in verständlicher Sprache zu empfangen gewesen wäre.
Christian legte sich aufs Bett. Er war todmüde, fand jedoch keinen Schlaf, sondern wälzte sich nur unruhig hin und her.
Dann musste er doch kurz eingenickt sein. Er fuhr hoch, als es an der Tür klopfte. Behutsam schob er die Kassette in die Innentasche seiner Jacke und schloss auf. Rebecca wollte gerade herein schlüpfen, als Sylvia am Ende des Flurs auftauchte. »Kommt«, sagte sie. »Der Rathaussaal ist klein, wir müssen rechtzeitig dort sein.« »Wo ist die Kassette?«, fragte Rebecca leise.
Christian berührte seine Jacke an der Stelle, wo sich die Innentasche befand. Sie traten ins Freie und gingen in Richtung Marktplatz. Je näher sie dem Zentrum kamen, umso mehr Leute waren auf den Straßen unterwegs, trotz der frühen Morgenstunde. Unsicherheit, Verwirrung und Neugier spiegelten sich auf den Gesichtern - auf denen der hektischen Journalisten wie auf denen der Einheimischen, die sich über die Hektik der Fremden wunderten. Rebecca sah aus, als wollte sie etwas sagen, fühlte sich aber offenbar durch Sylvias Anwesenheit gehemmt. Eine Schar Zigeunerkinder rannte ihnen ein Stück hinterher, aber Sylvia scheuchte die zerlumpten kleinen Spötter brüsk und routiniert davon.
Auf dem Marktplatz hatte der Medienzirkus noch zugenommen. Christian wäre gern zu den Kameraleuten gegangen und hätte nach einer Hi8-Kamera gefragt, aber um in die Pressekonferenz zu kommen, musste er bei Sylvia bleiben. Sie hielt einen internationalen Presseausweis in der Hand, den aber niemand sehen wollte. Es interessierte sich auch niemand dafür, ob Christian und Rebecca Journalisten waren oder nicht.
Die Montenegriner blieben draußen und schauten mit verwunderten Gesichtern zu, wie die schick gekleideten Westler ins Rathaus eilten. Als die ramponierten Eichentüren zufielen, trennten sie zwei Welten voneinander. Die Journalisten schüttelten die lokale Realität ab und gingen zur Jagd nach Knüllern über. Sylvia gesellte sich zu ihrem Kameramann.
»Komm, wir suchen einen von den Offiziellen«, flüsterte Rebecca Christian zu. »Die warten bestimmt im Nebenraum auf den Beginn der Pressekonferenz.« »Lass uns zuerst schauen, was das für Leute sind, und hören, was sie Neues zu erzählen haben.« Christian konnte seine Gefühlswallung nicht verbergen. »Es ist Tinas Kassette. Es kann etwas darauf sein, das ... für mich ...« Er musste schlucken. »Entschuldige. Ich wollte mich nicht in deine persönlichen Angelegenheiten einmischen.«
Sie gingen auf den Saal zu, in dem lebhaftes Treiben herrschte. Christian
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