Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
fuhr Luc fort. Er nahm einen Stift und einen kleinen Block aus der Tasche. »Dürfte ich Sie bitten, mir alles, was Sie über Tina Carabella wissen, zu erzählen? Wie haben Sie sie kennen gelernt?«
Sara seufzte schwer. »Wir waren zufällig im selben Internetcafe an der Place Frommer. Sie hatte gerade eine Wohnung für mehrere Monate gemietet und suchte jemanden, der mit ihr die viertausend Francs Miete teilte. Ich wiederum brauchte eine Wohnung für den Sommer, aber es war schwer, außerhalb des superteuren Ferienwohnungsmarktes eine Wohnung für so kurze Zeit zu finden. Und so bin ich auf der Stelle mit Tina mitgegangen, um mir ihre Wohnung anzuschauen.«
»Wie war sie?«
»Auf den ersten Blick sehr schön. Hohe Zimmer, zwei Marmorkamine ... Ich einigte mich mit Tina auf einen Zwei-Monats-Deal. Das war uns beiden recht.« Es kehrte Stille im Zimmer ein.
»Und dann?«
Sara blickte auf das Stück Koralle, das sie zur Dekoration ins halb leere Regal gestellt hatte. »Dann entpuppten sich sowohl die Wohnung als auch Tina als unschöne Überraschungen. Das Wasser für die Dusche wurde mit Gas erwärmt, beziehungsweise es sollte damit erwärmt werden. In der Küche war Ungeziefer. Und es zog durch die Fenster.«
»Und welche Überraschung verbarg sich in Tina?«
»Das gehört nicht hierher.« Sara bemerkte selbst ihren unnötig brüsken Tonfall und sprach mit versöhnlicherer Stimme weiter: »Wir bekamen Streit in einer persönlichen Angelegenheit.«
»Sie haben gerade gesagt, Sie seien in ihrer jetzigen Wohnung gewesen. Ist Ihnen dort etwas aufgefallen?«
Sara stand auf und holte die Audiokassette, die sie in Tinas Kühlschrank gefunden hatte.
27
Der schwarze Chrysler Voyager neigte sich auf der Gebirgsstraße von Pjevac nach Kotor in jeder Kurve jäh zur Seite.
Kurt Coblentz saß auf dem Beifahrersitz und sprach ins Funkgerät. Die anderen vier Wageninsassen luden ihre Pistolen und Maschinenpistolen und kontrollierten ihre Ausrüstung. Scharfe, metallische Geräusche erklangen beim Einrasten der Magazine. Der Chrysler brauste an einem verbeulten Kleinwagen vorbei, der sich aber trotz des wilden Tempos nicht abhängen ließ. Hartnäckig wie eine Klette hing der rostbraune Zastava auch in der engsten Kurve an der Stoßstange des Vans und betätigte dabei unablässig die Lichthupe.
Als der Fahrer des Chrysler verärgert in den Rückspiegel schaute, ließ seine Aufmerksamkeit für einen Moment nach. Nur durch eine abrupte Lenkbewegung gelang es ihm, den Zusammenstoß mit einem Motorrad, das aus Richtung Kotor kam, zu vermeiden. Die schwarze Lederjacke mit der roten Aufschrift Easyriders Montenegro verschwand hinter der nächsten Kurve. Die Tachonadel des Chrysler zitterte ebenso wie das Lenkrad, das der Fahrer mit leblos weiß wirkenden Fäusten fest umklammert hielt.
Coblentz legte das Funkgerät in den Schoß und sah aus dem Fenster. Nach der Kurve kam eine Kehre in die entgegengesetzte Richtung, und der Fahrer musste abbremsen. Der Zastava hupte heiser und setzte zum Überholen an.
Schamesröte überzog das Gesicht des Fahrers. Der Schrotthaufen auf vier Rädern zog mit dem amerikanischen Van gleich, und der Einheimische am Steuer schwenkte triumphierend die Faust, aus der ein ausgestreckter Finger hervorragte. Der Chryslerfahrer schnaubte, aber Coblentz reagierte in keiner Weise.
»Mach langsam. Wir sind gleich da«, sagte er.
Der Vormittag war windstill. Eine Krähe krächzte. Die Zigeunerkinder, die gegen die verbeulte Blechbüchse traten, kreischten. Christian schaute auf die Straße, die hinter dem Acker eine Kurve machte. Wie viel sollte er Sylvia erzählen? Wäre sie fähig, überhaupt etwas für sich zu behalten? Sicher nicht lange, das wäre gegen die Natur der Journalistin. Aber als solche verfügte Sylvia mit Sicherheit über gute Kontakte. Ein alter verbeulter Zastava raste auf der Straße vorbei und hinterließ eine blaugraue Abgaswolke, deren Gestank beißend in die Lunge eindrang. Kurz darauf hörte man ein gedämpftes, vornehmeres Motorengeräusch. Christian wurde aufmerksam, als das Fahrzeug nicht auftauchte. Stattdessen verstummte der Motor auf einmal. War Sylvia so vorsichtig, dass sie nicht unmittelbar bis ans Haus heranfuhr?
Christian blickte sich unruhig um. Nur das Krächzen der Krähen und das Scheppern der Blechbüchse störten die Stille. Er ließ den Blick vom Zigeunerlager wieder zur Straße und zur Kurve schweifen. Sylvia war nicht zu sehen. Vorsichtig zog er sich in den
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