Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Schutz des Waldes am Ackerrand zurück und lauschte aufmerksam.
Er zuckte zusammen, als die Hunde losbellten, gleich darauf aber röchelnd verstummten. Wo war das Lachen der Kinderschar geblieben? Plötzlich hatte die Stille etwas Unnatürliches. Christian war unschlüssig, ob er seinem Instinkt trauen oder vernünftig denken sollte.
Der Instinkt übernahm die Führung, als er immer tiefer in den Buchenwald eindrang. Rechts lag der Acker, also musste er nach links in Richtung Pjevac gehen. Jenseits der Bäume verlief die Straße. Nach der Kurve sah er einen schwarzen Van. Daneben stand ein Mann mit Maschinenpistole und sprach in ein Funkgerät. Die Stimme aus dem kleinen Lautsprecher drang bis an Christians Ohr, aber er verstand die Worte nicht. Erschrocken setzte er seinen Weg mit erhöhter Geschwindigkeit fort. Das Grau und Grün der Bäume huschte vorüber, und es raschelte übermäßig laut, als er versuchte, sich unbemerkt aus dem Blickfeld des bewaffneten Mannes zu stehlen. Wie hatten die Verfolger ihn ausfindig machen können? Wo war Sylvia? Hatte sie Verdacht geschöpft und die Polizei verständigt? Oder hörte man die Hoteltelefone ab ?
Schwer atmend eilte Christian weiter. Wem konnte er noch vertrauen ? War Sylvia ebenfalls in die Intrige verwickelt? Oder hatte man sie entführt oder gar getötet... Von der Stadt her näherte sich ein Auto. Christian spähte hinter einem Felsen hervor und sah einen roten Peugeot näher kommen. Außer dem Fahrer saß niemand darin. Christian kniff die Augen zusammen. Durch die Windschutzscheibe war es nur schwer zu erkennen, aber er war sich trotzdem sicher: Am Steuer saß Sylvia. Unwillkürlich lächelte er. Dann schätzte er die Lage im Bruchteil einer Sekunde ab. Das Auto war gut zehn Meter von ihm entfernt.
Er sprang auf und rannte zur Straße. Dabei hob er die rechte Hand. Sylvia drosselte nicht einmal das Tempo. Christian schwenkte beide Arme. Da quietschten die Bremsen, der Wagen schlingerte heftig und blieb schließlich am Straßenrand stehen. Christian riss die Beifahrertür auf, zwängte sich hinein und sagte: »Dreh um!«
Sylvia sah ihn erstaunt an und bewegte die geschminkten Lippen, als wollte sie eine Frage stellen, bekam aber kein Wort heraus.
»Hast du gehört?«, rief Christian panisch. Er konnte seine Stimme nicht kontrollieren, er wusste, dass ihm das pure Entsetzen anzuhören war. »Fahr! Oder ich fahre.« Sylvia legte den Rückwärtsgang ein und wendete.
Christian riss das Handschuhfach auf. »Hast du eine Karte?«
»In der Türablage.«
Sylvias Stimme verriet ihre Erschütterung. Christian nahm die Karte und breitete sie aus. Er erinnerte sich an die Abzweigung ins Hinterland, an der er auf dem Hinweg vorbeigekommen war. Die abzweigende Straße führte laut Karte nach Kotor, von wo man nach Cetinje kam und weiter bis nach Podgorica. Konnte es sein, dass es unterwegs Straßensperren gab?
»London erwartet von mir bis zwölf Uhr einen Telefonbericht«, sagte Sylvia und schaltete in einen höheren Gang. Die Straße schlängelte sich durch ein enges Tal, das von schmalen Wiesenstreifen mit blökenden Schafen und neugierigen Kühen belebt wurde. Über den Bergen hingen graue Regenwolken.
Christian blickte von der Karte auf und sah rechts einen Wegweiser mit ungleichmäßig verwitterten kyrillischen Buchstaben. Er verglich das Wort mit dem auf der Karte. »Fahr hier rechts ab.«
Sylvia setzte den Blinker und bog ab. Sie fuhr sicher auf der unebenen, kurvenreichen Straße. »Was ist passiert?« Christian erkannte das menschliche Erstaunen hinter Sylvias hartem, zynischem Gesichtsausdruck.
Er versuchte tief Luft zu holen, aber sein Atem ging nur stoßweise, wie bei einem Kind, das heftig geweint hat und sich nur langsam beruhigt. »Wenn ich es dir sage, ist das für dich das Todesurteil.«
»Ich riskiere es.« »Ich meine es ernst.«
Sylvia blickte kurz auf Christian, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Straße. Kurt Coblentz saß auf dem Beifahrersitz des Chrysler Voyager, der am Straßenrand parkte, und schrieb mit abrupten, kräftigen Bewegungen etwas auf. Dann reichte er das Blatt Papier seinem Mitarbeiter, der neben dem Wagen wartete.
»Lasst das ins Serbokroatische übersetzen und sorgt dafür, dass jedes Geschäft in der Umgebung, das Geräte zum Abspielen von Videokassetten verkauft, die Information erhält.«
Der Mitarbeiter sah auf das Blatt. »Das dauert...« »Darum ist es am klügsten, sofort anzufangen«, sagte Coblentz mit
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