Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
hochspritzen, und der Motor heulte immer lauter auf.
    »Du musst die Kamera schützen!«
    Sylvia barg die Kamera in ihrem Schoß. Beide Kotflügel schlugen gegen die hohen Backsteinstapel und warfen sie um, dröhnend hagelten die Steine aufs Dach, es wurde kurzzeitig dunkel im Wagen, die Windschutzscheibe zersplitterte, ein Backstein kam herein geflogen. Sylvia schrie auf. Das Auto wurde langsamer, weil es mit beiden Seiten an Steinhaufen entlang schrammte, der Lärm aber nahm weiter zu, denn Christian trat heftig aufs Gaspedal. Nun zersplitterten auch die Seitenfenster, es war, als würden brutale Kräfte das Auto in die Mangel nehmen. Die kurze Gasse zwischen den Backsteinen zog sich quälend in die Länge, unablässig wurden rote Brocken in den Wagen, aufs Dach und gegen die Seiten geschleudert. Auf einmal hörte das Gepolter auf, und man hörte nur noch das Heulen des Motors und das Rumpeln der Reifen auf dem unbefestigten Untergrund. Christian warf einen Blick auf Sylvia. Ihr Arm blutete. »Ist nur eine Schramme«, rief sie, den Schoß voller Splitter von der Windschutzscheibe. »Konzentrier dich aufs Fahren.«
    Vor ihnen tauchten zwei Baustellenfahrzeuge auf. Eines davon fuhr gerade rückwärts auf das Tor im Zaun zu. Christian schaltete in einen höheren Gang und trat das Gaspedal durch, aber der Lastwagen schaffte es trotzdem, die Ausfahrt zu versperren. »Halt dich fest!«, rief Christian und steuerte auf den Bretterzaun zu.
    »Der ist zu dick!«
    Christian schaltete herunter, hielt das Gaspedal aber durchgetreten. Die grauen Bretter kamen näher. Er biss die Zähne zusammen und machte sich auf einen schlagartigen Stopp gefasst - aber der kam nicht, denn die Bretter flogen zur Seite, sobald sie vom verbeulten Bug des Wagens getroffen wurden, und es gelang Christian mit Müh und Not, den schlingernden, Staub aufwirbelnden Wagen auf die Straße dahinter zu bringen.
    Auf der breiten Straße konnten sie beschleunigen, ihre Haare wehten dabei im Fahrtwind, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann das schwer mitgenommene Auto seinen Geist aufgeben würde.
    »Wie weit versuchen wir zu kommen?«, fragte Christian an Sylvia gewandt, die sich mit einem Taschentuch das Blut vom Arm wischte.
    Christian bog in die Straße ein, die vom Zentrum wegführte. Ein altes Ehepaar starrte sie an. An der nächsten Ecke bremste er heftig und fuhr in die Lücke zwischen zwei geparkten Autos. Nur etwas weiter weg endeten die Häuser vor einer fast senkrechten Felswand.
    Ohne ein Wort zu sagen, nahm Christian die leere Plastiktüte aus dem Fußraum, legte die Kamera vorsichtig hinein und stieg aus. Sylvia folgte ihm. Sie schlugen die verbeulten Türen zu und eilten im Laufschritt weiter in die nächste abzweigende Gasse. Dort zügelten sie ihre Schritte ein wenig, aber die erzwungene Gelassenheit konnte die Panik der Verfolgten nicht verbergen. Christian sah eine alte Frau im schwarzen Rock, deren Hände einen Besenstiel umklammert hielten und deren dunkle Augen geradewegs auf Sylvia und ihn gerichtet waren. Eine Tür mit abblätternder Farbe ging auf und ein Mann mit buschigem Schnurrbart und einem Handtuch in der Hand kam heraus. Er sagte etwas zu der Frau, die ihm sogleich ins Haus folgte. Mit einem Krachen fiel die Tür hinter ihnen zu.
    In wildem Tempo raste der BMW X5 auf der unebenen Straße auf Kotor zu. Coblentz hielt sich während der unruhigen Fahrt das Telefon ans Ohr. Auf seinen Knien lag der Stadtplan von Kotor.
    »Wir brauchen mehr Leute und Material«, wurde am anderen Ende der Leitung gesagt. »Von den Einheimischen haben wir keine Unterstützung zu erwarten.«
    »Wir konzentrieren uns darauf, die Straßen zu sperren, die aus der Stadt herausführen«, sagte Coblentz. »Kümmert ihr euch um die Straßen nach Cetinje, Herceg Novi und Budva.«

33
    Christian kletterte über den Zaun, der zwei Grundstücke voneinander trennte, und achtete dabei sorgsam auf die Plastiktüte. Ihm fiel Sylvias Zähigkeit auf. Mit verschmiertem Make-up und blutendem Arm sprang sie vom Zaun in ein Beet mit verwelktem Lavendel. Der abgeschlossene, üppig wuchernde Garten war an der einen Seite von einer Mauer aus Natursteinen begrenzt. Auf einer kleinen Grasfläche standen Birnbäume.
    Das Bild von dem Mann mit den dunklen Augenbrauen, der Tina küsste, ließ Christian keine Ruhe. Irgendwie war ihm der Mann bekannt vorgekommen. War es paranoid, sich vorzustellen, dass Tina von einem anderen schwanger war? Christian war hin und her gerissen:

Weitere Kostenlose Bücher