Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
stand am Straßenrand und zum Teil auf der Fahrbahn. Der Wind wirbelte den Schnee um sie herum auf. Im Bus brach lautstarke Begeisterung aus.
Timo blickte auf die Gäste, dann auf Stenlund, der die Geschwindigkeit drosselte. »Diese Viecher«, sagte Stenlund. »Halten sich an keine Verkehrsregeln.« Timo wählte die Nummer des Polizeireviers Pudasjärvi. Die Rentiere trotteten einige Meter zur Seite, und der Bus hielt an. Stenlund drückte auf die Hupe. Blitzlichter zuckten auf, weil die Fahrgäste die davontrottenden Rentiere fotografierten, begleitet von lebhaftem Stimmengewirr. Nach und nach bewegten sich die Tiere von der Straße »Kann ich mit dem Polizeichef sprechen?«, fragte Timo.
»Sumilo ist in einer Besprechung …«
Timo nannte seinen Namen und sagte: »Ich muss mit ihm reden. Sofort.« »Moment, ich leite das Gespräch auf sein Mobiltelefon um.«
Timo sah zu, wie schließlich auch das letzte Rentier die Straße verließ. Stenlund gab wieder Gas.
Hinter der Kurve tat sich eine lange Gerade auf. Stenlund beschleunigte sanft, denn die Straße war glatt, und die Fahrgäste hatten noch nicht zu Ende gegessen. Timo betrachtete die waldreiche Landschaft. In der Ferne sah man am Straßenrand ein blaues Schild mit weißer Aufschrift.
»Sumilo«, meldete sich der Polizeichef.
Timo stellte sich vor. »Ich bin auf dem Weg vom Flughafen Oulu nach Pudasjärvi, in einem Reisebus, mit einer Gruppe amerikanischer Touristen. Bis Pudasjärvi sind es noch …« Er kniff die Augen zusammen, um das Schild lesen zu können. »… acht Kilometer. Wir haben ernsthaften Grund zu der Annahme, dass eine terroristische Gruppierung, die mit Rafiq Karam in Verbindung steht, die Absicht hat, einen Anschlag gegen die Touristen …«
Stenlund hörte entsetzt zu. Sein Blick wanderte zum Außenspiegel. Auch der Renault hinter ihnen beschleunigte.
Hamid fixierte den Reisebus, der im Schneegestöber langsam näher kam. Mit dem Fernglas hatte er ihn schon am Beginn des geraden Straßenabschnitts erkannt. Aus irgendeinem Grund schien er ungewöhnlich langsam aus der Kurve gekommen zu sein, aber jetzt normalisierte sich das Tempo allmählich.
Hamids Daumen berührte den Knopf des Funkauslösers.
Der Bus erreichte die Stelle mit der schiefen Kiefer, aber Hamid wartete noch den Bruchteil einer Sekunde ab, um die geringe Geschwindigkeit des Busses zu kompensieren. Dann drückte er den Knopf. Nichts geschah.
Hamid ließ den Knopf zurückschnellen und drückte ihn erneut bis zum Anschlag. Nichts.
Stattdessen spürte Hamid einen Adrenalinstoß in seinem Körper. Er warf die Fernsteuerung auf die Erde und lief mit großen Schritten auf die Straße zu, dabei hielt er den Auslöser für den Sprengsatz im Rucksack mit der Faust umschlossen.
Der Ersatzmechanismus würde funktionieren.
»Wir brauchen Leute, die für die Sicherheit der Touristen sorgen«, sagte Timo zu Sumilo. Er saß neben Stenlund, hielt das Handy ans Ohr und schaute durch die Windschutzscheibe auf die Straße.
»Das klingt, offen gesagt, nach Notwehrüberschreitung«, meinte Sumilo. »Wir können nicht so mir nichts, dir nichts Männer abstellen …«
»Ich rufe Sie nicht an, um mir die Zeit zu vertreiben.« Timo gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. »Leiten Sie entsprechende Maßnahmen ein und schicken Sie Leute hierher. Ich melde mich gleich noch mal.«
Plötzlich trat Stenlund auf die Bremse. Im selben Moment erkannte Timo den Grund. Am Straßenrand ging ein Mann und schwenkte die Arme in weitem Bogen.
»Was soll das?«, brummte Stenlund und bremste immer stärker, denn der Mann war mittlerweile auf die Fahrbahn getreten, nicht weiter als hundert Meter vor ihnen.
Timos Blick haftete auf dem Mann. Er wirkte südländisch und trug einen Rucksack.
»Nicht anhalten!«, sagte Timo.
»Soll ich ihn überfahren?«, erwiderte Stenlund unwirsch und bremste weiter. Der Bus schlingerte leicht, aber Stenlund kam wieder in die Spur. Der Abstand verringerte sich rasch. Der Mann stand mitten auf der Fahrbahn und machte keine Anstalten auszuweichen.
Timos Puls beschleunigte sich.
Zehn Meter vor dem Mann kam der Bus zum Stehen. Sofort ging der Fremde auf das Fahrzeug zu.
»Was ist los?«, fragte Karri und trat neben Timo.
Hamid ging auf den Bus zu und beruhigte dabei seinen Atem. Er schob die Hand in die Tasche und griff nach dem Auslöser.
Hinter der Windschutzscheibe war Bewegung zu erkennen. Jemand stand neben dem Fahrer.
Hamid wusste, dass sein Gesichtsausdruck ruhig war,
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