Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
angetastet worden war. Online? Allein der Gedanke, dass jemand den Weg zum Schneehuhnnest mitten im Wald gefunden haben sollte, war lächerlich. Trotzdem hatten Karri die umgedrehte Zeitschrift und der fehlende Schnee auf den Fliesen keine Ruhe gelassen. Er hatte wenig und unruhig geschlafen, beim kleinsten Geräusch war er aufgewacht.
Am späten Abend hatte er mit seinem Vater und mit seiner Mutter telefoniert. Beide waren von den Todesnachrichten erschüttert gewesen. Mit seiner Schwiegermutter hatte er nur kurz gesprochen. Sie hatte lamentiert wie ein Prediger.
Tomi spielte mit seinem Handy. »Als hätte man nichts anderes zu tun«, brummte er.
Karri hörte die Anspannung unter dem Trotz heraus. Er wusste, dass Tomi eine Ladung launischer Touristen aus London in seinem Safari-Unternehmen erwartete. Nachdem er gemerkt hatte, dass Karri Erfahrungen in der freien Wirtschaft gemacht hatte, hatte Tomi ihm einiges über seine Firma erzählt. Vor gar nicht langer Zeit erst hatten sie einträchtig in der Sauna gesessen und sich neue Dienstleistungen ausgedacht, die Tomis Nordic Safari GmbH erlebnishungrigen Touristen und Belegschaften auf Motivationstour anbieten könnte.
»Es wird bestimmt nicht lange dauern«, sagte Karri und räusperte sich. Er hatte einen trockenen Mund. Die Atmosphäre des Polizeireviers machte ihn unruhig.
Wieder ging die Tür auf. Launo kam langsam heraus und setzte sich wieder auf seinen Platz. Karri sah, wie Tomi verstohlen in Launos teigiges Gesicht schaute, wo aber nicht mehr zu erkennen war als vor der Vernehmung.
»Vuorio, Karri«, sagte die Frau von der Tür aus.
Karri stand auf und trat in das spärlich möblierte Büro, wo ein Polizist an einem Computer saß.
»Setzen Sie sich«, sagte die Frau und schaltete das Aufnahmegerät auf dem Tisch ein. »Sie werden nun als Zeuge im Mordfall Erja Yli-Honkila vernommen. Ich bin Kommissarin Johanna Vahtera von der KRP. Oberwachtmeister Jari Levanto ist bei der Vernehmung anwesend. Gemäß den Bestimmungen des Ermittlungsgesetzes teile ich Ihnen mit, dass Sie als Zeuge die unbedingte Pflicht haben, bei der Wahrheit zu bleiben. Andernfalls können Ermittlungen wegen Falschaussage gegen Sie aufgenommen werden.«
Karri nickte und merkte, dass er mit einem Hautfitzelchen spielte, das sich am Rand des Nagelbetts gelöst hatte. Er gab sich Mühe, seine Hände ruhig zu halten.
»Erzählen Sie mir, wie Sie die Leiche gefunden haben!«
Karri räusperte sich leicht. »Ich war mit Stenlund und Kohonen bei der Jagd …« Karri sprach ohne Pause weiter und hoffte aus tiefstem Herzen, nicht gefragt zu werden, was sie gejagt hatten. »Bei einer Scheune im Akka-Moor haben wir eine Pause gemacht. Da hat Kohonen gesehen, dass ein Fuß aus dem Holzstoß an der Wand ragte. Wir haben das Holz zur Seite geräumt, und dahinter kam die Leiche zum Vorschein.«
»Wie hat Kohonen auf den Fund reagiert?«
»War ziemlich erschüttert. So wie wir alle. Ich hatte Angst, dass er einen Herzinfarkt bekommt.«
»War er betrunken?«
»Jedenfalls nicht sonderlich.«
»Hat er sich vor dem Fund normal verhalten?«
»Meiner Meinung nach ja.«
»Könnte es sein, dass er unter dem Einfluss von Medikamenten stand? Reagierte er langsamer als sonst?«
Karri wunderte sich immer mehr über die Fragen. War Launo gerade in einer Art Medikamentenrausch gewesen? Am liebsten hätte Karri gesagt, dass es nicht gerade auf schwaches Reaktionsvermögen hindeutete, wenn man ein Elchkalb aus über hundert Meter Entfernung mit einem Blattschuss erlegte.
»Meiner Meinung nach hat er sich vollkommen normal verhalten. Und eine leichte Fahne gehört bei ihm zur Normalität.«
Johanna Vahtera sah ihn aufmerksam an. »Ich bitte Sie, mich anzurufen, wenn Ihnen noch etwas einfällt, über das Sie sprechen möchten.«
Plötzlich war ihr Tonfall menschlicher geworden. Das veranlasste Karri, sie genauer anzuschauen. Im Grunde hätte er sie ziemlich attraktiv gefunden, hätte die Begegnung unter anderen Umständen stattgefunden. Sie gab ihm ihre Visitenkarte.
»Launo Kohonen wurde nachts im Wald angetroffen, an der Stelle, wo Anne-Kristiina Salmi ermordet wurde. Die Spurensicherung ging dort ihrer Arbeit nach.«
Karri sah die Frau überrascht an. Sie wartete ab.
Karri wollte das Schweigen brechen und etwas sagen. Genau darauf, erkannte er, war Johanna Vahtera aus.
»Er wohnt in der Nähe«, sagte er schließlich. »Da waren bestimmt noch mehr Neugierige.«
»Wie gut kannten Sie die
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