Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Opfer?«
»Sie waren beide Freundinnen meiner Frau. Seit Schulzeiten. Als wir noch in Helsinki wohnten, haben wir uns gelegentlich mit Anne-Kristiina getroffen. Sie studierte an der Sibelius-Akademie. Spielte bei unserer Hochzeit die Orgel. Saara glaubte, sie würde ihre alten Freundinnen öfter sehen, als wir hierher zogen, aber die Zeit vergeht so schnell. Wir hatten den großen Neubau. Und dann muss sie immer wieder beruflich ins Ausland. Erja war ein ganz anderer Typ als Saara … Akzeptierte weder leichte Musik noch Fernsehen noch weibliche Pfarrer, eigentlich gar nichts. Ich glaube, gerade diese religiösen Dinge haben dafür gesorgt, dass sich meine Frau von ihren Freundinnen aus der Kindheit distanziert hat. Je intensiver sie sich als Wissenschaftlerin mit der Bibel beschäftigte, umso weniger war sie fähig, die Dinge so schwarzweiß zu sehen. Sie hat oft geklagt, Erja und Anne-Kristiina wären in ihrem Kindheitsglauben stecken geblieben.«
»Können Sie mir sagen, wer die Opfer besonders gut gekannt hat?«
»Ich weiß nicht. Am ehesten wohl Lea Alavuoti. Sie wohnt in Oulu.«
Die Frau notierte Leas Namen und Telefonnummer.
»Lea hat beide am Freitagabend gesehen. Auch meine Frau. Die alten Freundinnen aus dem Gymnasium haben sich getroffen.«
»Ich möchte auch mit Ihrer Frau sprechen.«
»Saara ist noch die ganze Woche auf Reisen. Aber man kann sie telefonisch erreichen.«
Johanna Vahtera schrieb Saaras Nummer auf und fragte dabei: »Ist sie ebenfalls Laestadianerin?«
»In ihrem Innersten bestimmt. Aber in den Augen der richtigen Laestadianer wohl kaum.«
»Gut. Wir haben Ihre Angaben und kommen auf Sie zurück, wenn sich etwas ergibt.«
Erleichtert stand Karri auf und ging zur Tür.
»Haben Sie ein paar Hasen erwischt?«, fragte Johanna Vahtera.
Karri hielt inne. »Nein«, sagte er.
Das war nicht gelogen.
Johanna mochte Karri Vuorio. Der Mann schien Lebenserfahrung zu haben, trotz seines Alters.
Sie bereitete sich darauf vor, Tomi Stenlund hereinzubitten. Eigentlich hätte sie längst bei der vereinbarten Besprechung mit dem Polizeichef sein müssen, aber Launo Kohonen hatte ihren Zeitplan durcheinander gebracht.
Kekkonen, der Kohonen in der Nacht am Tatort entdeckt hatte, hatte dessen Verhalten als so außergewöhnlich beschrieben, dass Johanna den Mann selbst hatte vernehmen wollen. In einem so kleinen Ort sprachen sich die Dinge schnell herum, und Kohonen hatte eigenen Aussagen zufolge spät am Abend beschlossen, sich den Krimi aus der Nähe anzuschauen, nachdem er per Urwaldradio vom Fund einer zweiten Leiche gehört hatte.
Bereits in der Nacht war Kohonen auf Vorstrafen und dergleichen abgeklopft worden. Es hatte sich nichts gefunden, aber das hieß noch gar nichts. Gerade ein Gewaltverbrechen konnte die erste Tat in der Karriere eines Kriminellen sein. Allerdings wäre es schon ein allzu glücklicher Zufall, wenn sie gleich auf den ersten Metern der Ermittlungen auf die Ratte gestoßen wären.
»Stenlund«, sagte Johanna in Richtung des letzten Wartenden. Der lange, gut aussehende Mann nickte und folgte ihr ins Vernehmungszimmer. Sofort machte sich im Raum ein starker Geruch nach Rasierwasser breit. An seiner rauen Haut war abzulesen, dass er sich viel im Freien aufhielt.
Rasch spulte Johanna dieselbe Routine ab wie bei den anderen beiden Männern. Anschließend stellte sie dieselben Fragen zu Launo Kohonen, die sie auch Karri Vuorio gestellt hatte.
Aus Stenlund war nichts Wesentliches herauszukriegen. Er kannte Kohonen seit fünf Jahren, hielt sich aber nicht für einen engeren Bekannten von ihm. Er machte den Eindruck eines ehrlichen Unternehmers, der half, so gut er konnte.
Zu Johannas Überraschung klopfte es an der Tür, und einer der Polizisten aus Pudasjärvi kam herein. Er ging zu Johanna, reichte ihr wortlos ein Blatt Papier und verschwand auf der Stelle wieder.
Johanna überflog die Angaben zu Tomi Stenlund, die sich in der Polizeidatenbank gefunden hatten. Beim Lesen achtete sie darauf, dass Stenlund, der ihr gegenüber saß, keine Veränderung ihres Gesichtsausdrucks bemerken konnte.
Tomi Jukka Matias Stenlund, geb. 26. 4. 1968 in Karjaa, war 1996 vom Amtsgericht Turku wegen schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zwei Jahre zuvor hatte er wegen Körperverletzung eine Geldstrafe bekommen. Die Polizei verfügte über die Fingerabdrücke sowie über eine DNA-Probe von Stenlund.
Johanna legte das Blatt umgekehrt auf den Tisch und
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