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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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war.
    Er öffnete ein weiteres Dokument. Es befasste sich mit der größten Sensation des Fundes von Nag Hammadi, mit einer koptischen Übersetzung des Thomasevangeliums, von dem zuvor nur kurze Fragmente bekannt gewesen waren. Das Thomasevangelium wich in Form und Inhalt von den Evangelien ab, die für das Neue Testament ausgewählt worden waren. Es begann mit einem eindrucksvollen Satz, bei dem das Herz des Wissenschaftlers, der ihn entdeckt hatte, gewiss einen Sprung gemacht hatte: Dies sind die Worte, die der lebendige Jesus sprach und die Didymus Judas Thomas aufgeschrieben hat.
    Die Fortsetzung war ausgesprochen geradlinig. Fast jeder kurze Abschnitt fing auf die gleiche Weise an: Jesus sagte … Darauf folgte ein direktes Zitat.
    Es war kein Wunder, dass die Kirche das Thomasevangelium nicht akzeptierte: In dem Text wurde ein Jesus zitiert, der sagte, jeder Mensch stehe in direkter Verbindung zu Christus – ohne Kirche. Tatsächlich hatte die Kirche den Text zusammen mit anderen als Irrlehre deklarierten Schriften vernichten lassen. Ein Teil der heutigen Wissenschaftler glaubte indes, dass in dem Thomasevangelium Erkenntnisse über Jesus enthalten seien, die unabhängig waren von den vier Evangelien des Neuen Testaments. Andere wiederum gingen davon aus, dass der Text des Thomasevangeliums lediglich auf der Grundlage der anderen vier Evangelien kompiliert worden sei.
    Karri schloss nachdenklich das Dokument. Die Untersuchung umstrittener Schriften war Saaras Leidenschaft. Für sie – wie für viele andere Wissenschaftler – repräsentierte der christliche Glaube nicht die einzige Wahrheit. Das galt auch für die Bibel, denn sie war eine von der Kirche ausgewählte und modifizierte Textsammlung, die für kirchliche Zwecke geschaffen worden war. Die gesamte Institution Kirche war aus praktischen Gründen entstanden, weil die urchristliche Bewegung eine Organisation und Hierarchie entwickeln musste, um überleben und stärker werden zu können. Diese Tendenz wurde nicht nur im Thomasevangelium, sondern auch bei Matthäus und Johannes im Neuen Testament kritisiert; die christliche Führung hätte sich nicht auf den übergeordneten Status einiger Weniger und auf äußere Ehrentitel gründen dürfen.
    Saara war der gleichen Ansicht, das war Karri nur allzu klar geworden. Alle Kritik hatte jedoch nichts genützt, und die Kirche hatte sich, von den Umständen gezwungen, zu einer formalen Hierarchie unter bischöflicher Führung entwickelt. Nur so hatte eine ideologische Anarchie vermieden werden können. Und vor allem: Nur dank ihrer Zentralgewalt hatte die Kirche ihren Mitgliedern Schutz bieten und die Mittel sammeln können, mit denen sie den Kern des christlichen Glaubens erfüllte und sich um die Kranken, Benachteiligten und Bedürftigen kümmerte.
    Karri hatte Saara oft die Kirche der Gegenwart kritisieren hören, besonders die katholische, aber auch die evangelischlutherische Finnlands. Zwar leisteten die Gemeinden wertvolle und unersetzliche soziale Arbeit unter den Menschen, aber beteiligten sie sich wirklich ausreichend an der Unterstützung der Benachteiligten? Halfen sie dort, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wurde, oder pflegten sie letztlich doch nur die graue Theorie und sahen zu, dass sie die Kirchensteuern Gewinn bringend anlegten? Jedesmal wenn Karri und Saara irgendwo in Finnland an einem kirchlichen Verwaltungspalast vorbeifuhren, kam Saara auf das Thema zu sprechen.
    Karri brachte die Dateien in chronologische Ordnung und ließ dann den Curser über die Liste gleiten.
    Da klopfte es an der Haustür.
    Karri erschrak. Er hatte absichtlich keine Klingel installieren lassen, denn das war ihm hier überflüssig erschienen.
    Gespannt stand er auf und ging zur Tür.
    Dort stand Ezer Kaplan.
    Mit pochendem Herzen starrte Karri ihn an. »Was wollen Sie?«
    »Ich habe bereits gesagt, was ich will. Ich will Ihnen helfen. Ich will Ihre Frau freibekommen. Und Luuk van Dijk. Ich werde zu seiner Frau nach Holland fahren.«
    Karri sah dem Mann in die Augen. Sie wichen seinem Blick nicht aus.
    »Es geht also um das Material von Oxyrhynchos?«
    »Ich möchte Sie bitten, mit mir zu kommen«, fuhr Kaplan fort. »In Oulu wartet ein Learjet auf uns.«
    Mit Müh und Not hielt Karri seine Verblüffung unter Kontrolle. Ein Learjet? Der Mann hatte seine Bemerkung über Oxyrhynchos weder bestätigt noch bestritten. Karri zwang sich zu einem neutralen Gesichtsausdruck und überlegte kurz. »Danke. Ich fliege

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