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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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nicht mehr auf sie geschossen wurde.
    »Radovan ist nicht tot, ein Krankenwagen ...«
    Ohne vom Gas zu gehen, legte Vasa einen kleineren Gang ein. Der Motor heulte in voller Umdrehung auf. Unmittelbar nach der Kurve gab er zum ersten Mal im Leben seinem Vater einen Befehl: »Setz dich hin, ich halte jetzt an. Wir müssen das Auto stehen lassen und uns im Wald in Sicherheit bringen.«
    »Ich brauche eine Waffe.«
    »Draußen gebe ich dir meine Pistole ...«
    »Ich brauche deine Waffe.«
    Vasa antwortete nicht, sondern bremste heftig und sprang aus dem Wagen.
    Der Scharfschütze, diese elende Ratte, hatte Radovan aus dem Gebüsch heraus hingerichtet. Das würden die Finnen büßen müssen. 25
8
    Außer Atem beugte sich Johanna über Heli Räsänen. Die Frau war bei Bewusstsein, sie lag still da und musste immer wieder vor Schmerzen schlucken.
    »Keine Angst, der Notarztwagen ist auf dem Weg hierher«, sagte Johanna.
    Sie wollte die Frau etwas auf die Seite drehen, um die Schusswunde stillen zu können, bis sie begriff, dass die Wunde gefährlich nahe am Rückgrat lag.
    »Meine Beine bewegen sich nicht«, sagte die Frau durch einen schmalen Spalt zwischen ihren blassen Lippen.
    »Versuchen Sie, sich nicht zu rühren, Sie werden ...«
    »Meine Beine ... sie gehorchen mir nicht... «
    Johanna hörte Helstes Stimme hinter ihrem Rücken. Sie drehte sich zu ihm um.
    »Die Serben fahren in Richtung Launonen«, sagte Helste aufgeregt ins Funkgerät. »Weit werden sie nicht kommen. Holt den Hubschrauber und die Hundestaffel...«
    Johannas Blick fiel auf den wenige Meter entfernt liegenden blutüberströmten Mann, dessen Gesicht noch immer von der Sturmhaube bedeckt war. Einer der Männer aus dem Bär-Team beugte sich über ihn, um ihm die Maske abzunehmen. Dieser Entführer brauchte keinen Krankenwagen mehr.
    Auf Wunsch hätten die Männer aus dem Bär-Team das Fluchtfahrzeug fahruntauglich schießen können, aber das Risiko, den Oberst zu verletzen, war zu groß gewesen. Wäre Jankovic verwundet oder gar getötet worden, hätte das äußerst unangenehme Aufmerksamkeit auf die finnische Polizei gezogen.
    Johanna beugte sich näher an Heli Räsänen heran. »Ich bin Johanna Vahtera von der Polizei. Wie heißen Sie?« Sie wollte wenigstens kurz die Aufmerksamkeit der Frau auf ein anderes Thema lenken, damit sie nicht in einen Schock geriet.
    »Räsänen ... Heli...«, entgegnete die Frau mit wildem Blick in den Augen. »Ich kann nicht...«
    »Heli, Sie werden gleich ins Krankenhaus kommen«, versicherte Johanna, zog ihre Jacke aus und breitete sie über die Frau.
    Fichtenzweige streiften Vasas Gesicht, während er umgefallenen Bäumen und vermoosten Findlingen auswich. Im Wald war es wesentlich dunkler als auf der Straße. Ob die Frau tot war? Das hätten die Finnen sich dann selbst zuzuschreiben.
    Vasa verlangsamte den Schritt. Er hätte auch schneller laufen können, aber für seinen Vater schien selbst dieses Tempo schon zu viel zu sein. Er zog den zigarettenschachtelgroßen GPS-Navigator aus der Oberschenkeltasche, blieb stehen und wartete auf seinen Vater, dessen Keuchen und graue Gesichtsfarbe ihm Sorgen machten.
    »Wir kommen hier nirgendwohin«, bekam der Vater mit Mühe heraus. »Das ist sinnlos...«
    »Sie können nicht die ganze Gegend umstellen. Es genügt, weit genug wegzukommen. Dann besorgen wir uns ein Auto und fahren zum Boot.« Vasa sah sich die Karte auf dem Display des Navigators an. »Nein, ich kann nicht mehr...« Der Vater suchte Halt an einem Baumstamm. »Geh du.«
    »Du hast deine Medikamente nicht dabei«, stellte Vasa fest. Er steckte den Navigator ein und griff zur Waffe, dabei ließ er den Blick durch den Wald schweifen. Jeden Augenblick konnten dort Polizisten auftauchen, vielleicht auch Hunde. Bei der Planung hatte er an alles gedacht - nur nicht an die Herzmittel für seinen Vater. Die lagen in dessen Zelle. Vasa fluchte innerlich.
    »Hast du gehört? Geh du!«, befahl der Vater, offenbar schon 26
    kurz vor dem Zusammenbruch. War sein Herz der Grund oder Radovans Schicksal - oder beides?
    »Ich werde dich ins Boot bringen, da kannst du dich ausruhen ...« »Geh! Ich kann ihn nicht zurücklassen... Geh endlich!«, wiederholte der Vater in einem Ton, der erschreckend klang, voll von Schmerz und Enttäuschung.
    »Radovan ist tot«, zischte Vasa. Die unsichtbaren Bande zwischen seinem Vater und Radovan, an deren Beständigkeit offenbar selbst der Tod nichts änderte, versetzten ihm einen

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